# taz.de -- Wirtschaftskrise in Spanien: Vom Hacker zum Bierbrauer
       
       > Alles selbst gelernt, alles selbst gemixt. Der spanische Informatiker
       > Castro sattelt um und macht das, was er gut kann: Er braut sein eigenes
       > Bier. Prost!
       
 (IMG) Bild: Gebraut in Eigenregie, natürlich nach deutschem Reinheitsgebot: der Chef der Brauerei Cibles.
       
       MADRID taz | Computer gegen körperlich harte Arbeit, einen Schreibtisch im
       geräumigen Büro gegen eine Fabrikhalle mit einem Stuhl und einem Tisch in
       einer Ecke, über 6.000 Euro gegen 1.500 Euro netto im Monat … das ist der
       Tausch, den David Castro gemacht hat. Aber er ist zufrieden. Das ehemalige
       Vorstandsmitglied in einem der großen spanischen Informatik- und
       Technologieunternehmen braut seit knapp einem Jahr Bier, sein eigenes. Ganz
       freiwillig kam er wohl nicht so schnell auf die Idee, ganz neu zu beginnen,
       die Krise in Spanien hat ihn motiviert.
       
       „Man muss loslassen können, solange dies möglich ist“, lautet die
       Lebensphilosophie von Castro. „In meinem Beruf wirst du nicht alt“, sagt
       der 40-jährige Informatiker. Er war ganz oben, in der Vorstandsetage eines
       der wichtigsten Informatik- und Technologieunternehmen Spaniens. Immer
       wieder kam es zu Fusionen und Übernahmen. Firmen verschwanden. Nicht nur
       normale Mitarbeiter, auch leitende Angestellte mussten gehen. Die Krise
       beschleunigte diesen Reigen noch. „Mitte 40, spätestens mit 50 ist Schluss.
       Sie setzen dich einfach auf die Straße. Junges Personal ist gefragt“, weiß
       Castro.
       
       Bei der letzten Fusion blieben von 23 leitenden Angestellten ganze zwei
       übrig. Castro war einer davon. „Doch ich wollte einfach nicht warten, bis
       es eines Tages auch mich erwischt“, sagt er und schmiss hin. „Das Risiko
       vorverlegen“, nennt er diese drastische und zugleich mutige Entscheidung
       mitten in der Krise.
       
       „Ich überlegte mir, was ich kann.“ Drei Dinge standen zur Auswahl. Der
       knapp zwei Meter große, kräftige Mann ist Sporttaucher und hat eine
       Lehrerlizenz. „Das mag ja mit Ende 30 ganz attraktiv sein. Doch mit 50 oder
       gar 60?“ Er strich diese Option von der Liste. Außerdem schlägt sein Herz
       für Leichtflugzeuge. „Ein Start- und Landeplatz mit Verleih. Doch da bist
       du auf Tourismus angewiesen. Und der ist konjunkturabhängig.“ Diese
       Möglichkeit schied ebenfalls aus. „Blieb mein ungewöhnlichstes Hobby: das
       Bierbrauen.“ Seit Jahren produziert Castro auf dem heimischen Herd sein
       eigenes Gebräu. Erst waren es 20 Liter die Woche, bald schon 150 Liter.
       „Ich versorgte Verwandte und Freunde“, erzählt er. „Denen schmeckte es. Und
       getrunken wird immer.“
       
       ## Geborener Autodidakt
       
       Mit seiner Abfindung und der Investitionen von drei Freunden und einem
       Kredit suchte er eine Werkhalle in einem Vorort von Madrid und setzte sein
       Wissen in einen industriellen Prozess um. Der Kochtopf wich einem großen
       Kessel. „Das ganze Design der Produktion habe ich selbst entworfen“, sagt
       er stolz bei einer Führung durch die Halle.
       
       Der 40-Jährige aus der Madrider Altstadt ist der geborene Autodidakt, ob
       bei der Informatik oder beim Brauen. „Mit 16 hackte ich Videospielen. Das
       war mein erster Schritt in die Informatik“, berichtet er. Ein Job hier, ein
       Job dort, Castro brachte es ganz nach oben „ohne Studium, ohne
       Berufsausbildung“. Auch das Bierbrauen lernte er selbst. „Ich suchte im
       Internet und las Bücher“, erzählt Castro. Eigentlich sei es ganz leicht:
       „Gerste, Hefe, Hopfen, Wasser … das kann jeder.“ Nach einer kurzen Pause
       fügt er dann hinzu. „Es ist wie mit der Paella. Die Zutaten sind denkbar
       einfach, doch den richtigen Punkt zu erwischen, das ist die große Kunst.“
       
       1.200 Liter seines Biers La Cibeles – benannt nach der Göttin der
       Getreides, der in Madrid ein Brunnen mitten im Stadtzentrum gewidmet ist –
       produziert und verkauft Castro mittlerweile täglich. 13 Sorten hat er im
       Angebot. Weizenbier gehört dazu – „irgendwo zwischen dem deutschen Weißbier
       und dem belgischen Blanche“, sagt er. Dann noch Pale Ales und Indian Pale
       Ales – „wie die Briten und die Amerikaner“, und ein Dunkles – „wie in
       Deutschland“. „Alles außer Lager und Pils. Das machen ja die anderen, die
       Großen“, fügt er hinzu. Gerste und Weizen kommen aus Zentralspanien, der
       Hopfen aus dem Norden sowie aus Deutschland und Belgien. Die Hefe züchtet
       der Chef von La Cibeles selbst. Und natürlich braut Castro – dessen
       Lieblingsbier ein Weißbier aus dem bayerischen Kehlheim und ein Pale Ale
       aus Brooklyn ist – nach dem deutschen Reinheitsgebot. „Bis auf eine Sorte“,
       gibt er zu. In dieses Bier kippt Castro neben Hopfen, Wasser und Malz auch
       die süßen Früchte des Madroño, dem Erdbeerbaum aus dem Stadtwappen von
       Madrid. Lokalpatriotismus verpflichtet.
       
       13 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
 (DIR) Reiner Wandler
       
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 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
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