# taz.de -- Kommentar Amoklauf Afghanistan: Der gegenseitige Hass wächst
       
       > Die Forderungen nach einem Abzug werden lauter. Das verringert den Druck
       > auf die Taliban, sich auf Verhandlungen und substanzielle Zugeständnisse
       > einzulassen.
       
       Zurzeit ist das Verhalten einiger US-Soldaten die beste Propaganda für die
       Taliban: das Urinieren auf Leichen mutmaßlicher Aufständischer, das
       Verbrennen von Exemplaren des Koran und jetzt noch ein Massaker an
       Zivilisten, darunter viele Kinder, bei einem Amoklauf. Hinzu kommen ohnehin
       fast alltägliche „Kollateralschäden“.
       
       Das erschöpft die Toleranz der Afghanen, wie das Parlament in Kabul jetzt
       erklärt. Die inzwischen zügigen Entschuldigungen der Nato-Militärführer
       sind richtig und wichtig. Doch wenn Einzelfälle sich unerträglich häufen
       und Entschuldigungen laufend fällig werden, stimmt etwas grundsätzlich
       nicht.
       
       Dabei haben USA und Nato erkannt, dass sie den Konflikt am Hindukusch
       militärisch nicht gewinnen können. Deshalb wollen sie den Afghanen das
       Kämpfen bald selbst überlassen. 2014 sollen die letzten Nato-Kampftruppen
       vom Hindukusch abziehen. Geplant war ein gesichtswahrender Abzug in
       Verantwortung.
       
       Doch die jüngsten Ereignisse vergrößern das Debakel und schwächen die
       Aussichten auf Frieden. Denn zum einen schüren die jüngsten Fälle
       gegenseitigen Hass. Wenn internationale Soldaten und Berater in ständiger
       Angst leben müssen, von ihren afghanischen „Partnern“ getötet zu werden,
       wie auch umgekehrt afghanische Familien nicht vor durchgeknallten
       US-Soldaten sicher sind, wächst auf beiden Seiten das Verlangen nach
       schnellem Abzug.
       
       Das schwächt die Verhandlungsposition von afghanischer Regierung und Nato
       gegenüber den Taliban. Denn je mehr sich die Nato-Truppen in den Augen der
       Afghanen desavouieren und je stärker die Forderungen nach einem Abzug in
       Afghanistan wie in den Nato-Staaten werden, desto geringer ist der Druck
       auf die Taliban, sich auf Verhandlungen und substanzielle Zugeständnisse
       einzulassen. Das erhöht die Aussichten auf einen Bürgerkrieg nach 2014 wie
       auf einen Sieg der Taliban. Die Planung der Nato für ihren Rückzug und die
       Zeit danach wirkt zunehmend unrealistisch.
       
       12 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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