# taz.de -- Auf dem Weg zur Energiewende: Angst ums Solargeschäft
       
       > Solarfirmen kritisieren die schwarz-gelbe Bundesregierung, weil die die
       > garantierten Preise für Sonnennstrom auf einen Schlag senken will.
       
 (IMG) Bild: "Der böse Rösler" schlägt zu: Protest gegen den FDP-Wirtschaftsminister und seine Kürzungsvorschläge.
       
       HAMBURG taz | Jan Peter Boll ist seit kurzem arbeitslos. Der ehemalige
       Marketing-Fachmann der Hamburger Solarfirma Sun Energy ist wie viele seiner
       KollegInnen ein Opfer der Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, die die
       Vergütung für die Einspeisung von Sonnenstrom ins Energienetz drastisch
       senken will. Die Branche bestreitet nicht, dass die Solar-Subventionen
       heruntergefahren werden können. Doch was gerade im Bundestag verhandelt
       wird, mache einen Standortvorteil Deutschlands zunichte: die
       Verlässlichkeit.
       
       Weil im vergangenen Jahr doppelt so viele Fotovoltaik-Anlagen installiert
       worden sind als geplant, versucht die Bundesregierung, die Notbremse zu
       ziehen. Denn die Einspeisevergütung, mit der der Strom dieser Anlagen
       subventioniert wird, gilt für 20 Jahre – so lange wird der Strompreis
       belastet, selbst wenn neue Anlagen nur noch einen Bruchteil des heutigen
       Preises kosten werden. Zwar ist die Einspeisevergütung schon mehrfach
       gesenkt worden. Doch das erhöhte Preisniveau schiebt Deutschland wie eine
       Bugwelle vor sich her.
       
       Die 7.500 Megawatt Fotovoltaik-Leistung, die im vergangenen Jahr
       installiert wurde, sei in der Tat ziemlich viel, räumt Ran Rispens ein,
       Geschäftsführer der Clusteragentur Erneuerbare Energien Hamburg. Der
       Rekordwert für die Windenergie im Jahr 2002 habe bei nur 3.200 Megawatt
       gelegen. „Trotzdem ist klar, dass für die Fotovoltaik-Unternehmen ein
       Marktrückgang schwer verkraftbar sein wird“, sagt Rispens, der sich um die
       Vernetzung der Branche in der Metropolregion Hamburg kümmert. „Unsere
       Mitglieder stellen sich alle auf ein sehr schweres Jahr ein.“
       
       „Wir hatten viele Projekte in der Pipeline“, sagt der entlassene
       Mitarbeiter Boll. „Von einem Tag auf den anderen haben die ihre Grundlage
       verloren.“ Mit der gesenkten Einspeisevergütung müssten die Projekte um 30
       Prozent billiger kalkuliert werden. Die Solarmodule auf Lager seien
       dementsprechend mit einem Schlag 30 Prozent weniger wert. Die Kürzungen
       kämen zu schnell und seien zu heftig.
       
       Bolls ehemalige Firma Sun Energy plant und betreut Fotovoltaikanlagen ab
       einer Größe von 200 Kilowatt in ganz Europa. „Am ersten Tag nach den
       Kürzungen haben 70 Prozent der Kunden ihre Aufträge storniert“, sagt Boll.
       60 Prozent der Mitarbeiter hätten vorläufig entlassen werden müssen.
       
       Die Firma mit ihrer Zentrale in Hamburg habe das größte Geschäft in
       Deutschland gemacht. Hier seien die Rahmenbedingungen am verlässlichsten
       gewesen. Angesichts der starken Preisverfalls für Solaranlagen ist auch für
       Boll klar, dass die Förderung sinken muss. Das brachiale Umsteuern gefährde
       aber viele Firmen und werde das Wachstum um ein halbes Jahr zurückwerfen.
       
       Bolls Chef, Hartwig Westphalen, hat an die Abgeordneten von FDP und CDU
       appelliert, das bestehende Gesetz müsse zumindest so lange gelten, wie
       keine Novelle beschlossen sei. Für Großprojekte, insbesondere
       Freiflächenanlagen, müsse ein Vertrauensschutz von mindestens sechs Monaten
       gelten. „Wir brauchen vernünftige Übergangsfristen“, sagt Rispens von der
       Clusteragentur.
       
       Auch das börsennotierte Unternehmen Conergy, das Anlagen ab 500 Kilowatt
       baut und selbst Module herstellt, kritisiert die „extreme Kurzfristigkeit“
       der geplanten Neuregelung. Die Förderung zu verringern, sei aufgrund des
       Preisverfalls zwar nachvollziehbar und notwendig, um am Ende mit anderen
       Energiequellen gleich zu ziehen. Der abrupte Schwenk und der Plan, dass
       künftig Minister ohne Zustimmung des Bundestages die Förderung kürzen
       können sollen, entziehe der Branche die Planungsgrundlage. „Eine gesamte
       Branche mitsamt ihren Arbeitsplätzen wäre der Willkür und den Interessen
       einzelner Politiker ausgeliefert“, warnt eine Sprecherin der Hamburger
       Firma.
       
       Christoph Gundert, Geschäftsführer von Microsol, eines auf Norddeutschland
       spezialisierten Installateurs und Händlers, sieht darin Methode. Bei dem
       Streit gehe es darum, wie die Energiewende aussehen solle: Bauen die alten
       Energieversorgungsunternehmen (EVU) große zentrale Anlagen oder wird es in
       Zukunft viele Privatleute geben, die dezentral Strom ins Netz speisen? „Die
       FDP hat ein Interesse, für die EVU zu sprechen“, glaubt Gundert. Deshalb
       versuche sie, die kleinen Hausanlagen – Gunderts Geschäft –
       unwirtschaftlich zu machen.
       
       12 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Weniger Förderung für Fotovoltaik: Kürzungen reichen nicht auf's Dach
       
       Bund und Länder einigen sich offenbar über die Kürzung der Solarförderung.
       Gleichzeitig definieren sie das künftige Ende der Einspeisevergütung.
       
 (DIR) Finanzexperte über Wind- und Solarenergie: „Man braucht Wall-Street-Banken“
       
       Die Solarbranche geht nach China, Windkraft bleibt europäisches
       Hoheitsgebiet, sagt Finanzexperte Michael Liebreich vom Nachrichtendienst
       Bloomberg New Energy Finance.
       
 (DIR) Kommentar Solarförderung: Verlässlichkeit ist Trumpf
       
       Die Kürzung ist eine Panikreaktion, die dem Ruf Deutschlands schadet und
       den wirtschaftlichen Erfolg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
       gefährdet.