# taz.de -- Buch über Berliner Technoszene: Loveparade und Ecstasy
       
       > „Der Klang der Familie“ erkundet die Anfänge der Berliner Technoszene.
       > Damit folgen die Autoren dem Popbuchklassiker „Verschwende Deine Jugend“.
       
 (IMG) Bild: „Soundtrack eines Ausnahmezustands“? Summer Rave in Berlin, 2011.
       
       Zusammensein feiern, Erinnerungen teilen. Allerweltsanliegen, besonders
       wenn es um das Berlin zur Wendezeit geht. Dass unter den Trümmern der
       Geschichtstrunkenheit der Wiedervereinigung immer noch gesellschaftliche
       Freiräume begraben liegen, fördern Felix Denk und Sven von Thülen in ihrem
       Buch „Der Klang der Familie“ zutage.
       
       Sie behandeln die Anfänge der Berliner Technoszene in Form einer Oral
       History. Techno ist für sie „Soundtrack eines Ausnahmezustands“. Plastisch
       erfahrbar machen sie das tagelange Raven zu elektronischer Tanzmusik durch
       ein Gewirr aus vielen, zum Teil sich widersprechenden Stimmen. Dieses
       Durcheinanderreden schafft auch formale Freiheit, jenseits der autoritären
       Behauptungsebene eines allwissenden Erzählers.
       
       Die beiden Autoren schicken voraus, dass sie selbst damals nicht dabei
       gewesen sind. Stattdessen haben sie für ihr Buch rund 150 Beteiligte
       interviewt und deren Aussagen in einen chronologischen Fluss montiert.
       Damit folgen sie der Linie von „Verschwende Deine Jugend“, einem
       Popbuchklassiker, der in Interviewausschnitten die Selbstlegitimation von
       Neuer Deutscher Welle in Westdeutschland erkundete.
       
       „Der Klang der Familie“ beginnt nicht erst 1989, am Wendepunkt der
       Weltgeschichte, sondern zieht die Spuren aus einer Popvergangenheit bereits
       ab 1980 nach oben. Ob Westberlin oder Ostberlin – der Umgang mit Pop musste
       erst eingeübt werden. Die Protagonisten erprobten die Grenzen ihre
       körperlichen Belastbarkeit auf den Partys. Und der Informationsfluss war im
       Vergleich zum Internet-Overkill von heute noch ziemlich dünn.
       
       Das DJ-Wesen hatte eine schwierige Geburt, besonders in Westberlin kamen
       Postpunk und New Wave kaum mit Dancefloor-Kultur in Berührung. Mit zwei
       Plattenspielern zu mischen, galt nicht als Kunst. Auch die Aidsepidemie
       verunsicherte Vergnügungssüchtige. Und so musste die durch die Nazizeit und
       die Teilung dezimierte Nachtlebentradition erst mal erneuert werden.
       
       ## Von der Bausünde zum Sündenpfuhl
       
       Der Raumgewinn der wiedervereinigten Stadt ließ Clubkultur gerade auch in
       ihren Wunden florieren: leer stehende Läden, Lagerhäuser, Bunkergebäude.
       Von der Bausünde zum Sündenpfuhl zum stomping ground für die elektronischen
       Emotionen der Maschinenmusik.
       
       Auch wenn die Westbams und Jürgen Laarmanns nicht müde werden, dies in
       „Klang der Familie“ zu behaupten, eine genuin deutsche Leistung war Techno
       in Berlin nicht. Pop, sagte Diedrich Diederichsen einmal, gedeiht immer
       beim Fantasieren über fremde Orte. Die Berliner wurden von Techno- und
       House-Tracks aus Chicago und Detroit inspiriert. Es fand ein lebhafter
       transatlantischer Austausch statt, mit allen nur erdenklichen
       Missverständnissen.
       
       US-Produzenten wie Mike Banks kommen verdientermaßen in „Klang der Familie“
       zu Wort. Sie lebten zeitweilig in der Stadt und ihre Eindrücke von Berlin
       schaffen so etwas wie poetic justice. Damit lässt sich auch der in „Klang
       der Familie“ ausführlich diskutierte Größenwahn der Loveparade-Umzüge und
       die Harmonieseligkeit der überpräsenten Ecstasy-Pillen leichter ertragen.
       
       ## Felix Denk, Sven von Thülen: „Der Klang der Familie. Berlin, Techno und
       die Wende“. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012, 423 Seiten, 14,99 Euro
       
       21 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
 (DIR) Julian Weber
       
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