# taz.de -- Abfall in Nord- und Ostsee: Planschen im Plastik-Meer
       
       > Naturschützer sind besorgt. Bei Sammelaktionen fanden sie viel
       > Kunststoff-Müll, der für Tiere besonders gefährlich ist. Auch die
       > Überfischung ist weiter ein großes Problem.
       
 (IMG) Bild: Plastik, Metall, Scherben: schöner Urlaub an deutschen Küsten.
       
       HAMBURG taz | Am Strand gibt es fast alles, was da nicht hingehört.
       Plastiktüten, Joghurtbecher und Badelatschen, aber auch Konservendosen und
       Textilien – die Strände an Nord- und Ostsee drohen zu Müllkippen zu werden.
       Vor allem Kunststoffe gefährden Fische, Vögel und Meeressäuger: Sie
       verschlucken scharfkantige Teile, verheddern sich in Leinen und ertrinken
       oder verenden langsam an den in Plastik enthaltenen Giftstoffen. „Mehr Müll
       als Fische im Meer“ war das Schreckensszenario des Meeresbiologen Kim
       Detloff vom Naturschutzbund (Nabu), als er im Mai vorigen Jahres an der
       schleswig-holsteinischen Ostseeküste das Modellprojekt „Fishing for Litter“
       startete (siehe Kasten). 
       
       Mehr als 700 Kilogramm Müll haben seitdem die Kutter der
       Küstenfischer-Genossenschaft aus Heiligenhafen und Burgstaaken auf der
       Insel Fehmarn mit an Land gebracht, berichtete Malte Siegert am Sonnabend
       im Hamburger Rathaus. Der Leiter des Nabu-Vogelreservats Wallnau auf
       Fehmarn legte bei einer Konferenz der Grünen zur Fischereipolitik der EU
       die Bilanz dieses Modellprojekts vor. Und das sei „durchweg erfolgreich“
       gewesen, so Siegert, und soll auch in diesem Jahr fortgesetzt werden.
       
       Begleitend ließ der Nabu an Aktionstagen von Freiwilligen die Strände nach
       angespültem Unrat absuchen. Auf mehreren Abschnitten auf Fehmarn wurden im
       vorigen Jahr etliche Tonnen Müll gesammelt, pro 100 Meter Küstenlinie
       lassen sich übers ganze Jahr hunderte Müllteile am Spülsaum finden.
       
       Entscheidend ist für Siegert aber die Zusammensetzung: Mehr als 60 Prozent
       aller Müllteile dort bestanden aus Plastik und Styropor – für
       Meeresbewohner hochgefährliche Stoffe. Etwa ein Viertel machten Glas,
       Papiere und Pappen aus, zudem fanden sich Metalle (4,1 Prozent), Gummi (2,2
       Prozent) und sogar 1,8 Prozent zumeist benutzte Hygieneartikel, etwa
       Toilettenpapier, Tampons und Kondome.
       
       Der Abfall wird auch immer stärker zu einem ökonomischen Problem: Für die
       Reinigung ihrer Strände haben allein die Ostseebäder an der Lübecker Bucht
       zwischen Fehmarn und Travemünde im Jahr 2010 etwa 1,2 Millionen Euro
       ausgeben müssen. Nach Schätzungen des Nabu gelangen Jahr für Jahr jeweils
       etwa 20.000 Tonnen Müll in die Ostsee und die Nordsee. Vermutlich befinden
       sich bereits bis zu 600.000 Kubikmeter Müll auf dem Meeresboden der beiden
       vielgenutzten kleinen Meere.
       
       Die werden auch durch die Fischerei vor den deutschen Küsten übernutzt. Von
       den rund elf Kilo Fisch, die in norddeutschen Haushalten durchschnittlich
       im Jahr verzehrt werden, stammen bereits mehr als 80 Prozent aus
       Fanggebieten in allen Weltmeeren. Denn in Nord- und Ostsee und den anderen
       Fanggründen der Europäischen Union in Nordatlantik, Mittel- und Schwarzem
       Meer sind bereits 74 Prozent der Fischbestände überfischt.
       
       „Wir brauchen eine bestandsschonende Fischerei“, forderte deshalb Marnie
       Bammert vom Marine Stewardship Council (MSC), der die Gütesiegel für
       nachhaltigen Fischfang vergibt, auf der Konferenz in Hamburg. „Verbraucher
       können mit ihrem Verhalten Druck auf Handel und Industrie ausüben“, sagte
       Bammert. „Nachhaltigkeit ist zu einem immer größeren Faktor für die Branche
       geworden“, bestätigte Jürgen Marggraf, Vizechef der Frosta AG in
       Bremerhaven und stellvertretender Vorsitzender des
       Fischgroßhandelsverbands: „Deutschland ist am weitesten in Europa, und wir
       werden diesen Weg konsequent fortsetzen.“
       
       Dazu gehöre auch der Abbau von Überkapazitäten der EU-Fischflotten,
       befanden Fischer und Meeresschützer gleichermaßen. Das Beispiel Polen habe
       gezeigt, dass das sinnvoll ist. Nach dem EU-Beitritt musste das Land die
       Hälfte seiner Flotte ausmustern und die Piratenfischerei etlicher Kutter
       eindämmen. Seitdem haben sich die Bestände von Dorsch, Hering und anderen
       Ostseefischen wieder erholt.
       
       „Die Überfischung und die Zerstörung der Meeresumwelt müssen jetzt gestoppt
       werden“, fordert Rebecca Harms, grüne Europaabgeordnete aus Niedersachsen
       und Mitveranstalterin der Konferenz: „Sonst werden unsere Meere in weniger
       als 50 Jahren leer sein.“
       
       25 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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