# taz.de -- Asylpolitik macht krank: Abschiebung in die Depression
       
       > Nach der Abschiebung leiden junge Flüchtlinge aus dem Kosovo oft an
       > psychischen Krankheiten, sagt Unicef. Experten halten das für ein
       > Abschiebehindernis.
       
 (IMG) Bild: Depression durch Abschiebung: Verena Knaus leitete das Unicef-Forschungsprojekt.
       
       BERLIN taz | Schon für Erwachsene wären die Zahlen besorgniserregend, doch
       für Kinder sind sie katastrophal: Fast die Hälfte der aus Deutschland und
       Österreich ins Kosovo abgeschobenen Jugendlichen leidet an Depressionen,
       ein Viertel hat Selbstmordgedanken.
       
       Ein Drittel der sechs- bis 18-Jährigen leidet an einer posttraumatischen
       Belastungsstörung, sonst eher bei Soldaten diagnostiziert. Dies sind die
       Ergebnisse einer aktuellen Unicef-Studie, für die 131 Erwachsene und 164
       Kinder befragt wurden, die seit 2010 aus einem der beiden EU-Länder
       ausreisen mussten.
       
       „Diese Menschen leiden unter einer großen Antriebslosigkeit, die Kinder
       sind oftmals zu keiner menschlichen Regung mehr fähig“, sagte Verena Knaus,
       Leiterin des Studienteams. Besonders Angehörige der kosovarischen
       Minderheiten - etwa Roma, Ashkali und Kosovo-Ägypter - litten nach der
       Abschiebung an starken psychischen Belastungen. „Dies stellt aus meiner
       Sicht eine Gefahr für Leib und Leben, also ein Abschiebehindernis dar“,
       sagte Knaus der taz.
       
       Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte Tom Königs
       (Grüne), sagte dazu, es müsse dringend eine bundesweite
       Bleiberechtsregelung für Angehörige kosovarischer Minderheiten gefunden
       werden. Während verschiedene Länder immer wieder Abschiebungsstopps für
       kosovarische Minderheiten erlassen, sieht das Bundesinnenministerium nach
       wie vor keinen Grund für eine Bleiberechtsregelung. Auf Anfrage sagte ein
       Sprecher: „Die Legalisierung des Aufenthalts Geduldeter ist die Ausnahme
       und muss das auch bleiben.“
       
       ## Seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland
       
       Deutschland führt seit 2009 wieder Minderheitenangehörige ins Kosovo
       zurück, seit 2010 besteht ein offizielles Rückübernahmeabkommen mit dem
       jungen Staat. Seitdem haben nach Angaben der Bundesregierung mehr als 30
       Prozent der ehemals 11.770 ausreisepflichtigen Roma, Ashkali und
       Kosovo-Ägypter das Land verlassen. Aktuell leben noch 8.178
       Minderheitenangehörige hier, die jederzeit von Abschiebung bedroht sind,
       darunter etwa die Hälfte Minderjährige.
       
       Ein Großteil der Familien lebt seit mehr als einem Jahrzehnt in
       Deutschland, die Kinder können deshalb nur deutsch, kein albanisch. „Immer
       wieder sagten die Jugendlichen bei den Befragungen, sie wollten nach
       Deutschland zurück oder nicht mehr weiter leben“, sagte Knaus. Viele
       Familien zögen gar ein illegales Leben in Deutschland einem legalen im
       Kosovo vor.
       
       Denn ihre Perspektiven im Kosovo sind noch immer schlecht, auch wenn die
       ehemalige jugoslawische Teilrepublik den Minderheiten mittlerweile
       offiziell gleiche Rechte zugesteht. Viele Innenpolitiker in Deutschland
       argumentieren damit, die institutionelle Diskriminierung habe im Vergleich
       zu den Jahren des Kosovokrieges in den 90ern stark abgenommen.
       
       ## Bisher keine bundesweiten Kriterien
       
       Knaus sagte dagegen: „Neben der Sprachbarriere verhindern in der Praxis
       tatsächlich auch Schulleiter, dass Kinder aus Minderheitenfamilien im
       Kosovo in die Schule gehen, es findet weiter Diskriminierung statt.“ 70
       Prozent der Kinder blieben deshalb zu Hause, während dies von den
       rückgeführten albanischen Flüchtlingskindern etwa 50 Prozent betreffe.
       
       Die Studienautoren halten diese Perspektivlosigkeit in Verbindung mit dem
       traumatischen Abschiebeerlebnis mit für einen Grund dafür, dass jedes
       dritte befragte Kind unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet
       - Raten, die für Kriegsgebiete oder nach einer Naturkatastrophe
       nachvollziehbar wären. Vor diesem Hintergrund forderten die Autoren der
       Studie, das Kindswohl müsse gemäß der UN-Konvention über die Rechte des
       Kindes in die Migrationspolitik einfließen.
       
       Obwohl auch Deutschland die Konvention 1990 ratifizierte, gibt es keine
       bundesweiten Kriterien, wie das Kindeswohl in eine Abschiebungsentscheidung
       einfließen muss. "Momentan bedeutet das aus meiner Sicht, dass Kinder
       grundsätzlich nicht ins Kosovo abgeschoben werden können", sagte Knaus.
       
       28 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karen Grass
       
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