# taz.de -- Schalke in der Europa League: Mit dem Verrückten aus dem Mief
       
       > Marcelo Bielsa, Trainer von Schalkes Gegner Bilbao, verwandelte eine
       > Mannschaft und ihren Stil. Das kann nur ein großer Trainer mit verrückten
       > Ideen.
       
 (IMG) Bild: Für Barcelonas Pep Guardiola der weltbeste Coach: Marcelo Bielsa.
       
       BILBAO taz | Marcelo Bielsa besitzt ein halbes Dutzend Deutsche. Er bewahrt
       sie in einem Lager mit grüner Wellblechtür am Rande von Athletic Bilbaos
       Trainingsplatz auf. Zum Training dürfen sie meistens raus, auch auf die
       Reise zum Viertelfinal-Hinspiel der Europa League bei Schalke 04 an diesem
       Donnerstag hat Athletics argentinischer Trainer die Deutschen mitgenommen.
       Sie haben dicke Beine, sind 1,91 Meter groß und mit Luft gefüllt.
       
       Die aufblasbaren Plastikfiguren, die bei vielen Trainingsformen als fiktive
       Gegner dienen, heißen in Bilbao „die Deutschen“, weil sie in ihren weißen
       Trikots und schwarzen Hosen den deutschen Nationalspielern ähneln und eine
       Firma aus Backnang sie herstellt. Bielsas Deutsche sind Stars im
       Baskenland. Denn die ungekannten Plastikfiguren verkörpern die nie
       gesehenen Trainingsmethoden und den neuen Fußball, die der frühere
       argentinische und chilenische Nationaltrainer seit Juli nach Bilbao
       brachte.
       
       Athletic, das in der Vergangenheit lebte, der letzte Titelgewinn 28 Jahre
       her, steht im spanischen Pokalfinale, und es gibt nichts, was der Elf in
       der Europa League nicht gelingen könnte. Dabei hat Athletic noch immer
       einige schlechte Tage, wie der zehnte Rang in der spanischen Liga belegt.
       Doch ein großer Trainer kann eine Mannschaft und ihren Stil komplett
       verwandeln. Das beweist Marcelo Bielsa.
       
       Er übernahm einen Verein, der sich hinter den alten Werten verschanzt
       hatte. Der Spielstil war 2011 derselbe wie vor 50 Jahren: ruppig, simpel,
       der lange Pass als Masterplan. Und weiterhin dürfen, dem globalen Zeitalter
       zum Trotz, nur Basken für Athletic spielen. Es ist ein zwiespältiges
       Traditionsbewusstsein. Einerseits scheint es bewundernswert, wie ein Verein
       emsig daran festhält, seine Profis nur in der Region zu finden.
       
       Andererseits gedeiht in der Enge der Mief. Es gibt starke Indizien, dass
       Athletic 2007 der Klassenerhalt nur mit Manipulation gelang, jahrelang
       beschäftigte der Klub Sabino Padilla, einen Arzt aus dem dopingverseuchtem
       Radsport, und Spieler warben für dasselbe Großbaskenland, für das die
       ETA-Terroristen mordeten. Dann kam Bielsa.
       
       ## Ein Spiel wie Barcelona
       
       Er schuf ein Team, das wie die Wellen rollt. Vor und zurück in
       unglaublicher Geschlossenheit, teilweise stürmen sie zu siebt, wer außer
       Barcelona traut sich das, und bei Ballverlust verteidigen sie sofort zu
       zehnt. So entstand in zwei Nächten im März Fußball im reinsten Stadium.
       
       Die Wellen schwappten über Manchester United im Achtelfinale der Europa
       League, elegante Flachpässe, rauschhafte Balljagd, Talente in voller
       Entfaltung, der 19-jährige Iker Muniain, die Weltmeister Fernando Llorente
       und Javi Martínez; sie siegten 3:2 und 2:1. „In ganz Europa habe ich keine
       Elf gesehen, die so spielt“, sagte Uniteds Trainer Alex Ferguson. „Es ist
       Schönheit.“
       
       Schon bei der WM 2010 war Bielsas damalige Elf Chile für Trainer wie den
       Mainzer Thomas Tuchel das interessanteste Team. Nahtlos wechselte die Elf
       als Einheit zwischen Angriff und Abwehr. Wie das Bielsa trainiert, ist ein
       Ereignis. Der Platz ist übersäht von Markierungen. Zum Beispiel unterteilt
       er ein Kleinfeld in acht Zonen, nie dürfen zwei Spieler in einer Zone sein,
       so spulen sie Spielzüge ab mit den Plastikdeutschen, so sollen sie die
       Synchronisation verinnerlichen. Mit Didaktik und männlichem Sammeltick
       zerlegt Bielsa tausende Spiele auf DVD in Sequenzen, katalogisiert
       Laufwege, Passfolgen, Ballannahmen.
       
       El Loco, der Verrückte, nennen sie ihn. „Ein Mann mit neuen Ideen ist
       verrückt. Bis er Erfolg hat“, sagt Bielsa. Er ist 56, trägt seine Brille
       wie Großväter am Band, er stammt aus dem Bürgertum, sein Bruder Rafael war
       argentinischer Außenminister. Er schafft Mannschaften, die Fußball mehr als
       alle anderen wirklich als Mannschaft spielen.
       
       Der spanische Filmregisseur David Trueba reiste deshalb 2006 mit einem
       Freund, der Trainer werden wollte, zu Bielsa nach Argentinien. Es wurde
       gegrillt, erinnert sich Trueba, und dann redeten sein Freund und Bielsa elf
       Stunden über Fußball. Truebas Freund ist sich noch heute sicher: „Marcelo
       Bielsa ist der beste Trainer der Welt.“ Worte von Pep Guardiola, den alle
       anderen für den besten Trainer der Welt halten.
       
       29 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Reng
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Premier League
       
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