# taz.de -- Kommentar Türkische Putschisten: Das Ende der „Väter der Nation“
       
       > Es hat dreißig Jahre gedauert bis die türkischen Putschistenführer von
       > 1980 vor Gericht stehen. Aber trotzdem ist dies ein Erfolg. Jetzt besteht
       > endlich die Chance, die Opfer zu rehabilitieren.
       
       Über dreißig Jahre hat es gedauert, bis die Verantwortlichen für den
       verheerendsten Putsch in der Geschichte der türkischen Republik jetzt vor
       Gericht gestellt wurden. Trotzdem ist es ein großer Erfolg, denn
       jahrzehntelang hatte es ganz und gar nicht danach ausgesehen.
       
       Obwohl der Putsch vom 12. September 1980 an Brutalität alles in den
       Schatten stellt, was Militärmachthaber in über 80 Jahren türkischer
       Republik der Bevölkerung angetan haben, blieben Juntachef Kenan Evren und
       seine Mitstreiter auch Jahre nach ihrer blutigen Herrschaft hochgeachtete
       Mitglieder der Gesellschaft.
       
       Noch bis vor sechs, sieben Jahren meldete sich Evren gelegentlich mit
       launigen Ratschlägen zur aktuellen Politik aus seinem komfortablen
       Sommersitz in Marmaris zu Wort, und bis heute tragen Schulen seinen Namen.
       
       Für die hunderttausende Opfer der Putschisten hingegen gab es wenig
       Verständnis.
       
       Als Evren im Ausland wegen der Hinrichtungen politischer Gefangener
       vorsichtig kritisiert wurde, sagte er: „Sollen wir die Lumpen vielleicht
       auch noch füttern“, und wusste sich mit einer Mehrheit im Land einig.
       
       Es ist, bei aller berechtigten Kritik an der Regierung von Tayyip Erdogan,
       dessen bleibendes Verdienst, dass das Militär heute entmachtet und vor
       allem sein Mythos als „Väter der Nation“ zerstört wurde. Nur deshalb steht
       Evren heute vor Gericht.
       
       Der Prozess gegen Evren ist der Schlussstein in einer beispiellosen
       Auseinandersetzung der islamisch grundierten AKP-Regierung mit dem Militär.
       Für die Opfer der Putschisten besteht endlich die Chance, dass sie
       wenigstens symbolisch rehabilitiert werden.
       
       Dass sich in der Türkei anstelle der Militärs nun die Islamisten
       breitmachen, ist kein Argument gegen die Entmachtung der Uniformträger. Es
       ist eine notwendige, aber, wie sich zeigt, nicht hinreichende Voraussetzung
       zu einer echten Demokratie.
       
       4 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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