# taz.de -- Microsoft und Windows-Phone: Wenn die Kunden nicht beißen
       
       > Microsoft versucht seit anderthalb Jahren, mit seinem neuen
       > Smartphone-Betriebssystem zu punkten. Doch die Firma ist auf dem Markt
       > weit abgehängt.
       
 (IMG) Bild: Will niemand kaufen: Smartphones mit Windows-Betriebssystem.
       
       BERLIN taz | Joshua Topolsky will das Lumia 900, Nokias neuestes Handy mit
       Windows-Phone-Betriebssystem für den amerikanischen Markt, eigentlich
       mögen. Doch der Chefredakteur des viel gelesenen Technik-Blogs The Verge
       muss in seinem [1][ausführlichen Testbericht] dann einräumen, dass das
       Smartphone zwar verarbeitungstechnisch sehr hübsch gestaltet, aber in
       Sachen Software nach wie vor nicht mit den großen Konkurrenten Apple iOS
       und Google Android mithalten kann.
       
       „Lassen Sie es mich frei heraus sagen: Ich denke, es wird Zeit, Windows
       Phone keinen Freifahrtschein mehr zu erteilen.“ Microsoft arbeite zwar hart
       und mit Leidenschaft an der Plattform. Doch das reiche eben nicht im
       Wettbewerb. „Wir müssen aufhören, zu sagen, wie schön gestaltet diese
       Technik ist und wie neuartig für Microsoft.“
       
       Die Aussagen des The Verge-Chefs fassen die Absurdität der Situation, mit
       der der erfolgsverwöhnte Software-Konzern im Mobilfunkmarkt aktuell
       konfrontiert ist, sehr gut zusammen. Microsoft versucht seit mittlerweile
       anderthalb Jahren, mit seinem komplett neu gestalteten
       Smartphone-Betriebssystem zu punkten.
       
       Dabei ging Microsoft große Risiken ein, altbewährte Technik wurde zugunsten
       einer ganz neuen Oberfläche über Bord geworfen. In eine Zusammenarbeit mit
       dem finnischen Handy-Hersteller Nokia - der selbst in einer schweren Krise
       steckt - wurden viele Millionen investiert, um Flaggschiff-Geräte zu
       bekommen, die mit Apples iPhone oder Samsungs Galaxy-Baureihe mithalten
       können. In den USA soll Nokia den Mobilfunkanbieter AT&T angeblich dafür
       bezahlen, dass dessen Mitarbeiter die Lumia-Geräte am Gürtel tragen und
       Kunden so direkter empfehlen.
       
       Allein – zu helfen scheint das alles nichts. So dümpelt der Marktanteil von
       Windows Phone in den USA bei um die fünf Prozent, soll laut aktuellen
       Zahlen des Marktforschers comScore sogar von Oktober bis Januar um ein
       Prozent gefallen sein. Apple und Google können sich dagegen über immer neue
       Rekordabsatzzahlen freuen, weil immer mehr Nutzer statt gewöhnlicher Handys
       zu Smartphones greifen.
       
       ## Zwei Prozent des App-Marktes
       
       Auch im Bereich der so wichtigen Software für die Telefone, bei den Apps,
       liegt Windows Phone hinten. Trotz deutlichem Wachstum bei der Anzahl der
       Programme – mittlerweile sind 60.000 aktive Titel im Microsoft Marketplace
       vorhanden – sind die Verkäufe noch schlecht. Laut dem IT-Analysehaus ABI
       Research wird die Plattform nur zwei Prozent der für das Jahr 2012
       vorhergesagten 36 Millionen App-Downloads ausmachen, Android und iOS
       dagegen 86 Prozent. Das wirkt sich direkt auf den Umsatz aus.
       
       Problematisch ist auch, dass Windows Phone derzeit noch Möglichkeiten
       fehlen, die die anderen Plattformen längst kennen: Dazu gehören sogenannte
       In-App Purchases, bei denen Nutzer eine App kostenlos herunterladen können,
       für Extrafunktionen aber zahlen müssen. Microsoft baut die Features nach
       und nach ein – so konnte Windows Phone in seiner ersten Inkarnation
       beispielsweise noch kein Copy&Paste, was erst per Update nachgereicht
       wurde.
       
       Microsoft muss aufpassen, dass seine Außenseiterposition im
       Smartphone-Geschäft kein Omen dafür wird, was den Software-Giganten im
       PC-Geschäft erwartet. Dort steht noch in diesem Jahr der Wechsel auf
       Windows 8 an - und dieser könnte fast genauso radikal werden wie der
       Schritt zu Windows Phone. So bringt Windows 8 eine komplett neu gestaltete
       Oberfläche mit, die für Tablet-Rechner mit berührungsempfindlichem
       Bildschirm gedacht ist.
       
       Statt der namensgebenden Fenster sollen Nutzer von Windows künftig
       Vollbildprogramme, wie man sie von iPad & Co. kennt, verwenden. Die Optik
       ist radikal verändert, was Microsoft durchaus viel Lob einbrachte – ähnlich
       wie bei Windows Phone. Doch das heißt eben nicht, dass die Neugestaltung
       auch von den Endnutzern akzeptiert wird. Immerhin ist das alte Windows in
       Windows 8 aber noch nicht ganz verschwunden: Eine zusätzliche
       Desktop-Oberfläche erlaubt es, traditionelle Programme zu nutzen und
       auszuführen, wie man es seit Jahrzehnten kennt.
       
       6 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.theverge.com/2012/4/3/2921472/lumia-900-review
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Verbotener Tablet-PC und neue Smartphones: Kampf der mobilen Geräte
       
       Im Patentstreit mit Apple bleibt es Samsung weiterhin untersagt, das Galaxy
       Tab 10.1 in den USA zu vertreiben. HTC kündigt derweil neue Smartphones mit
       Windows 8 an.
       
 (DIR) Designstreit zwischen Apple und Samsung: Monopol auf das runde Rechteck
       
       Apple bekämpft Samsung in einem der größten Patentprozesse der
       Technikgeschichte. Vor dem kalifornischen Gericht geht es nicht nur um die
       Optik des iPhones.
       
 (DIR) Millardenverlust im zweiten Quartal: Nokia verfehlt das Klassenziel erneut
       
       Konzernchef Stephen Elop hatte sich hohe Ziele gesteckt – und deutlich
       verfehlt. Der mäßige Absatz der Lumia-Smartphones lässt die Verluste von
       Nokia weiter anwachsen.
       
 (DIR) Neuer Tablet-Computer „Surface“: Microsoft bietet Angriffsfläche
       
       Bei Tablets und den nächsten Betriebssystemen geht es offenbar um viel:
       Microsoft baut nun eine eigene Gerätelinie. Und beschwört damit Konflikte
       mit Partnern.
       
 (DIR) Wissenschaftler über digitales Zeitalter: "Wir sind möglichkeitsblind"
       
       Wissenschaftler Bernhard Pörksen warnt vor dem digitalen Zeitalter und
       davor, wie Julian Assange zu enden. Dank Smartphone trage jeder eine
       Allzweckwaffe bei sich.
       
 (DIR) Microsoft steigert Quartalsumsatz: Firmenkunden pushen Office
       
       Zwischen Januar und März stieg der Umsatz von Microsoft, der Gewinn sank
       aber. Für einen überraschenden Schub sorgten vor allem Firmenkunden.
       
 (DIR) Vorabversion von Windows 8 vorgestellt: Microsoft zielt auf Tablets
       
       Microsoft hat eine Vorabversion von Windows 8 präsentiert. Das
       Betriebssystem ist dafür ausgelegt, mit dem Finger bedient zu werden – und
       vor allem für Tablet-Rechner gedacht.
       
 (DIR) Nun mit Windows Phone: Nokia öffnet die Fenster
       
       Die finnischen Mobilfunker wollen mit Microsoft-Technik aus der Krise. Nach
       langer Wartezeit kommen nun ersten Geräte mit Windows Phone.