# taz.de -- Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Das Web als Antörner
       
       > Das Netz ist der Ort, wo Pädophile und Pädokriminelle geschützten Zugang
       > zu Teenies bekommen. Es ist die Börse fürs Kennenlernen und für
       > Kinderpornografie.
       
 (IMG) Bild: Vertrauen oder Missbrauch?
       
       Jeder weiß, dass es da ist. Aber nur Wenige verstehen die Bedeutung des
       Netzes für sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Das war der Grund
       für die Geschäftsführerin von Innocence in Danger, Julia von Weiler, Eltern
       und pädagogische Fachkräfte „für die Gefahren im Netz zu sensibilisieren,
       ihnen aber gleichzeitig auch handfeste Informationen und Ratschläge zu
       vermitteln“. Das Gute an Weilers Buch ist, dass sie ein Vademecum auch für
       stinknormale Ahnungslose geschrieben hat, ohne aber simple „Schaltet das
       ab“-Fantasien zu bedienen.
       
       Für die Psychologin ist das Netz ein wichtiger Ort für Pubertät und
       sexuelle Sozialisation geworden. 2008 sagten 16 Prozent der Kinder
       (zwischen 6 und 13 Jahren), dass sie sich in sozialen Communitys bewegen;
       2010 waren es bereits 43 Prozent. Dass zu den Themen, die dort am meisten
       interessieren, Sexualität zählt, ist keine Erfindung des bösen weltweiten
       Netzes. Und es besteht womöglich auch keine Dominanz des Sexuellen, aber
       seine Bedeutung ist dennoch enorm. In den sozialen Netzwerken wie Facebook
       oder SchülerVZ geben die Jugendlichen oft an, ob sie Freund oder Freundin
       haben: „Single online“ sei gleichbedeutend mit „Hier bin ich, nimm mich!“,
       berichteten Mädchen der Autorin. „Und selbst wenn man bei
       ’Beziehungsstatus‘ keine Angabe macht, verstehen viele das als
       Aufforderung.“
       
       Das Netz ist aber zugleich der Ort, wo Pädophile und Pädokriminelle
       geschützten Zugang zu Teenies bekommen. Es ist die Börse fürs Kennenlernen
       und für Kinderpornografie. Innocence in Danger hat mit der TV-Serie „Tatort
       Internet“ für jeden sichtbar gemacht, wie schnell und zielgerichtet
       Päderasten beim Cyber-Grooming und -Dating vorgehen. Das hat die Republik
       in die falsche Richtung aufbrechen lassen: Sofort fragten die Feuilletons
       nach dem Schutz der Täter – und nicht nach dem der Opfer.
       
       Julia von Weiler bietet in ihrem Buch konkrete Hilfe an, die weiter reicht,
       als alle einschlägigen Listen und Adressen zu nennen. Es geht ihr darum,
       Kinder so stark zu machen, dass sie mit negativen Erfahrungen im Netz
       umgehen können. „Letztlich ergibt sich das aus einem liebevollen, klaren
       und respektvollen Umgang mit Kindern und Jugendlichen.“ Die Autorin hat
       ihren Aufklärungsverein entsprechend aufgestellt: Sie informiert und
       alarmiert die Gesellschaft über Cyber-Grooming und -Pornografie, aber sie
       macht auch konkrete Hilfsangebote für traumatisierte Kinder und vernetzt
       jene Jugendhilfeorganisationen, die direkt mit den verletzbaren oder
       zerstörten Jugendlichen arbeiten. Die Ursachen verortet sie nicht bei den
       Heranwachsenden oder im Netz, sondern bei den TäterInnen, die strategisch
       klug für ihren Missbrauch vorgehen.
       
       Aber: Die Selbstdarbietung der Pubertierenden in Internetforen ist für
       Weiler auch die Fortsetzung der selbst manipulierten Alterslosigkeit ihrer
       Eltern: „Unbewegliche, dafür aber faltenfreie Botoxgesichter sind die
       Vorbilder, mit denen Kinder und Jugendliche aufwachsen.“
       
       10 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Füller
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Missbrauchsinitiativen gegen Grüne-Politiker: „Die alte Kinderpornoleier“
       
       Er nannte Aufklärung im Netz „die alte Kinderpornoleier“. Nun kritisieren
       bundesweite Projekte gegen sexuelle Gewalt den Grünen-Politiker Jörg Rupp.
       
 (DIR) Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Den Kopf immer tiefer im Sand
       
       Was hat die Gesellschaft begriffen nach zwei Jahren Aufdeckung von
       Missbrauchsfällen? Nichts. Eher im Gegenteil, zumindest wenn man die
       Reformpädagogik betrachtet.
       
 (DIR) Pannenserie im Mordfall Lena: Psychiatrie-Chef will nicht schuld sein
       
       Der mutmaßliche Mörder der elfjährigen Lena aus Emden habe sich bei einer
       psychiatrischen Verhandlung unauffällig verhalten, sagt der Chefarzt.
       Inzwischen wird gegen vier Polizisten ermittelt.
       
 (DIR) Ermittlungen im Mordfall Lena: Im Sande verlaufen
       
       Die Liste der Ermittlungspannen rund um den Mordfall Lena ist lang.
       Anzeigen gegen den mutmaßlichen Täter gingen unter, ein
       Vergewaltigungsversuch blieb unerkannt.
       
 (DIR) Kommentar Mord in Emden: Dienstweg ins Nichts
       
       Viele haben viel richtig gemacht, nur die Polizei machte immer wieder das
       Falsche. Sie hat viel aufzuarbeiten – vor allem einen sehr langen
       Dienstweg.