# taz.de -- Missbrauchsinitiativen gegen Grüne-Politiker: „Die alte Kinderpornoleier“
       
       > Er nannte Aufklärung im Netz „die alte Kinderpornoleier“. Nun kritisieren
       > bundesweite Projekte gegen sexuelle Gewalt den Grünen-Politiker Jörg
       > Rupp.
       
 (IMG) Bild: Initiativen gegen sexuelle Gewalt wehren sich gegen bagatellisierende Aussagen.
       
       Missbrauchsinitiativen aus ganz Deutschland schütteln den Kopf. „Man kann
       sich gar nicht vorstellen, wie ein Landespolitiker so viel dummes Zeug über
       die Gefahr von Kinderpornografie im Netz verbreiten kann“, sagte Silke
       Noack, die Geschäftsführerin des Nottelefons Nina in Kiel.
       
       Und die Leiterin des weithin bekannten Projektes Zartbitter, Ursula Enders,
       meinte: „Es geht darum, der Kinderpornografie und deren schwerwiegenden
       Folgen auch für scheinbar unbeteiligte Kinder ein Ende zu setzen.“
       Bagatellisierende Bemerkungen „helfen uns dabei überhaupt nicht“. Die
       Initiativen gegen sexuelle Gewalt kritisieren einhellig eine Äußerung des
       netzpolitischen Sprechers der Grünen in Baden-Württemberg, Jörg Rupp. Der
       hatte einen Text in der taz über Missbrauch und Kinderpornografie im Netz
       mit den Worten kommentiert: „Und dann wieder die alte Kinderpornoleier.“
       
       Rupp bezog das auf das Buch „Im Netz“ von Julia von Weiler, in dem die
       Psychologin Eltern und Kindern Ratschläge gibt, wie sie sich vor sexueller
       Anmache und Kinderpornografie im Netz schützen können. Sie zitiert in dem
       Buch Studien, wonach 38 Prozent der Jugendlichen sagen, sie würden im Netz
       ungewollt sexuell angesprochen. Die Gefahr des Missbrauchs habe sich durch
       das Netz radikal verändert, meint von Weiler, die Geschäftsführerin der
       Hilfsorganisation Innocence in Danger ist.
       
       Rupp sagte auf Anfrage der taz, man müsse Kinderpornografie bekämpfen,
       „aber das kann man nicht in der Art und Weise tun, wie Innocence in Danger
       das tut. Die haben meines Erachtens keine Ahnung.“ Der Netzpolitiker der
       grünen Regierungspartei in Baden-Württemberg erklärte seinen Satz so: „Mit
       den Worten ’die alte Kinderpornoleier‘ habe ich gemeint, dass
       Kinderpornografie stets verwendet wird, um andere politische Ziele zu
       erreichen – zum Beispiel, um die Bürgerrechte im Netz einzuschränken.“
       
       ## Berufung auf Tauss
       
       Auf seinem Blog und in seinen Texten beruft sich Rupp beständig auf den
       verurteilten Besitzer von Kinderpornografie, den Exbundestagsabgeordneten
       Jörg Tauss. „Wieso geht es immer nur um Kinderpornografie“, sagte Rupp der
       taz, „und nicht um die Tatsache, dass 90 Prozent des Missbrauchs im
       familiären Umfeld stattfindet?“
       
       Die von der taz befragten Organisationen zeichnen ein völlig anderes Bild
       als Rupp. Iris Hölling, die Leiterin der Zentrale von Wildwasser in Berlin,
       sagte, das Netz sei nicht böse oder schuld, „aber es ist ein Mittel, das
       von Pädokriminellen massiv benutzt wird, um in Kontakt zu Jugendlichen zu
       kommen. Eine relevante Anzahl Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben,
       berichten über Kontaktaufnahme im Netz oder Verbreitung von Fotos oder
       Filmen im Netz.“
       
       Wildwasser ist ein Netzwerk Hunderter Hilfestellen für Mädchen und Frauen,
       die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Ursula Enders von Zartbitter geht
       sogar noch einen Schritt weiter: In der täglichen Beratungsarbeit müsse
       ihre Organisation lernen, „dass bei sexueller Gewalt gegen Kinder ab dem
       Grundschulalter Medien praktisch immer eine Rolle spielen“.
       
       Enders leitet die älteste Missbrauchseinrichtung, die Kölner Kontaktstelle
       gegen sexuelle Gewalt, und ist Autorin des Buchs „Grenzen achten“. Sie
       sagte, die mediale Verbreitung von sexueller Gewalt und Kinderpornografie
       habe eine neue Dimension erreicht: „Kinder, die Kinderpornografie ansehen,
       sind oftmals genauso belastet wie die unmittelbaren Opfer sexueller
       Gewalt.“
       
       Das Betrachten der Bilder habe oft eine Traumatisierung zur Folge. Realer
       Missbrauch habe meistens irgendwann ein Ende, sagte Enders, „die
       kinderpornografischen Bilder aber lassen die Kinder nicht mehr los“. Silke
       Noack von der Nationalen Infoline Netzwerk und Anlaufstelle zu sexueller
       Gewalt an Mädchen und Jungen reagierte empört. „Ich weiß gar nicht, was
       Herr Rupp mit Kinderpornoleier meint. Denkt der vielleicht, das leiert sich
       aus? Das ist gefährlicher Unsinn, der unsere Arbeit behindert.“
       
       Noack sagte, Pädokriminelle seien die Ersten gewesen, die das Netz als
       Tauschbörse für Kinderpornografie erkannten. „Die waren schon professionell
       am Werk, als unsere Polizei noch mit einer Art Buschtrommel arbeiten
       musste.“ Dagmar Riedel-Breidenstein von Strohhalm trifft in Schulen auf
       viel Unwissen über die Risiken des Netzes. „An Elternabenden stellen wir
       fest, wie wenig Eltern darüber wissen, häufig auch die Lehrkräfte.“
       
       Kinder allerdings fänden Prävention wichtig, „denn sie kennen das Thema
       durchaus aus eigenen Erfahrungen, aus Gesprächen und Ängsten.“ Die
       pädosexuelle Anmache im Chat sei ein wichtiger Aspekt in den Rollenspielen,
       mit denen Strohhalm in Grundschulen Aufklärung versucht. Interessant ist,
       dass der heutige Netzpolitiker Jörg Rupp selbst ziemlich gut über
       Missbrauch Bescheid wisse. Das sagte er der taz. Er habe den
       Kinderschutzverein Carechild mit gegründet und sogar mit einem
       Landeskriminalamt zusammengearbeitet.
       
       ## Nicht bagatellisierend
       
       „Ich habe dabei Bilder gesehen, wie ein Mann ein zweijähriges Kind
       vergewaltigt – so etwas möchte ich nicht mehr sehen.“ Er sagte, die
       Äußerung von der „Kinderpornoleier“ sei „umgangssprachlich“. „Das war nicht
       bagatellisierend gemeint, wenn jemand das so versteht, dann tut es mir
       leid.“ Auch die Bundesgrünen distanzierten sich. „ ’Kinderpornoleier‘
       entspricht sicher nicht unserer Wortwahl für die Auseinandersetzung mit
       dieser wichtigen und ernsten Debatte“, sagte der netzpolitische Sprecher
       Malte Spitz.
       
       Trotz der Dementis haben einige der Initiativen Angst, dass die Grünen
       wieder an die Tradition der Indianer anknüpfen könnten. „Mich erinnert das
       an die 1980er Jahre, als man aus der grünen Partei Stimmen hörte, die
       Pädosexualität straffrei stellen wollten“, sagte Iris Hölling.
       
       Aber: „Es geht ja nicht um Pornografie, sondern um die Dokumentation
       sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen.“ Riedel-Breidenstein kennt
       die Töne aus der Diskussion über sexuelle Gewalt im HipHiop, „als wir
       ähnlich locker-’libertäre‘ Sprüche von sehr bürgerlichen Menschen hörten,
       die sich nicht mit so prüden Warnerinnen wie uns abgeben wollten“.
       
       Innocence in Danger sagte der taz, man kämpfe seit Jahren mit
       uninformierten Schmähungen aus der Netzgemeinde. An der Qualität der Arbeit
       von Innocence gebe es keine Zweifel. Geschäftsführerin von Weiler verwies
       auf den gerade errungenen Preis für das Projekt „Smart User Peer2Peer“, in
       dem Jugendliche sich gegenseitig über das Thema sexualisierte Gewalt in den
       digitalen Medien aufklären.
       
       Öffentlichkeit sei der wichtigste Verbündete im Kampf gegen sexuelle
       Gewalt, so Weiler. „Hier herrschen aber immer noch zu viele Tabus,
       Klischees und allgemeine Unwissenheit.“
       
       18 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Füller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) sexueller Missbrauch
       
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