# taz.de -- Skandal in chinesischer Parteispitze: Funktionär Bo von Politbüro suspendiert
       
       > Offiziell wurde Bo Xilai wegen Ermittlungen in einem Kriminalfall
       > entmachtet. Doch kurz vor dem Führungswechsel weist sein Sturz auf einen
       > Richtungskampf hin.
       
 (IMG) Bild: Bo Xilai und seine Frau Gu Kailai.
       
       PEKING taz | Der chinesische Spitzenpolitiker Bo Xilai ist endgültig
       entmachtet worden. Internetnutzer erfuhren das bereits am späten
       Dienstagnachmittag über das chinesische Twitter-Pendant Weibo. Das
       staatliche Fernsehen hingegen verkündete den Sturz erst spät in der Nacht.
       
       Dass die Entmachtung im Netz sieben Stunden vorher bekannt wurde, zeige,
       dass diese Nachricht bewusst lanciert war, ist sich der chinesische Blogger
       Michael Anti sicher. „Chinas Staatsspitze steckt dahinter“, vermutet der
       unabhängige Netzjournalist. Dabei hatte die chinesische Führung noch vor
       zwei Wochen die Kommentarfunktionen von Weibo gesperrt.
       
       Mit Bo Xilais Sturz hat der Machtkampf in Chinas Führungsspitze einen neuen
       Höhepunkt erreicht. Zwar hatte Premier Wen Jiabao bereits Mitte März Bo
       seines Postens als Parteichef in Chinas größter Metropole Chongqing
       enthoben. Dass der 62-Jährige nun auch von all seinen anderen Parteiämtern
       entbunden wird und diese Nachricht ausgerechnet über den in der
       Parteiführung so verhassten Kurznachrichtendienst Weibo nach draußen
       dringt, dürfte für Bo besonders demütigend sein.
       
       Am Dienstag nahmen Sicherheitskräfte auch seine Frau Gu Kailai fest. Ihr
       und einem persönlichen Mitarbeiter des Ehepaares wird vorgeworfen, an dem
       Tod eines britischen Geschäftsmannes beteiligt zu sein. Der 41-Jährige war
       im November in einem Hotel in Chongqing aufgefunden worden. Damals hatte es
       geheißen, er sei an übermäßigem Alkoholkonsum gestorben. Nun schreibt auch
       die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua von Mord. Staats- und Parteichef
       Hu Jintao habe die Ermittlungen eingeleitet, heißt es - im Falle Bos wegen
       „ernster Disziplinarverstöße“.
       
       ## Schlimmster Skandal seit 20 Jahren
       
       Die Affäre um Bo kam ins Rollen, als sein Gefährte und Polizeichef Wang
       Lijun im Februar im US-Konsulat in der südwestchinesischen Stadt Chengdu um
       Zuflucht bat. Das löste eine Krise aus. Nach einem Tag stellte sich der
       Spitzenbeamte der Staatssicherheit. Doch chinesischen Medien zufolge soll
       der Expolizeichef mit seinen Aussagen auch Bo schwer belastet haben.
       
       Aus Sicht der Führung in Peking ist die Affäre einer der schlimmsten
       Skandale seit zwei Jahrzehnten. Das ist nicht alles. Wenige Monate vor dem
       vorgesehenen Führungswechsel weist Bos Sturz auf einen Richtungskampf in
       der Staatsführung hin. Bo Xilai, Sohn des verstorbenen ranghohen
       Revolutionärs und Mao-Gefährten Bo Yibo, hatte bis zuletzt hohe Parteiämter
       bekleidet.
       
       Der 62-Jährige war Parteichef der Stadt Chongqing und Bürgermeister der
       Hafenstadt Dalian, später chinesischer Handelsminister. Er galt als modern
       und war entsprechend populär. Bis Anfang des Jahres galt er als gesetzt für
       den Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem eigentlichen Machtzentrum der
       Kommunistischen Partei.
       
       Doch in den vergangenen Jahren wetterte er zunehmend gegen einen allzu
       liberalisierten Markt und setzte auf einen starken Staat. Marktliberale
       beschimpften Bo als linkskonservativ. Vor allem mit seinen jüngsten
       Kampagnen, sich verstärkt den Ideen Mao Zedongs zu widmen, verscherzte er
       es sich auch mit der Staatsspitze.
       
       Premierminister Wen rügte diese Politik und warnte vor einer Verklärung der
       Ära des 1976 gestorbenen Staatsgründers. Nun muss Bo dafür büßen.
       Netzaktivisten feierten in der Nacht zu Mittwoch in Hunderten Kommentaren
       die Verkündung von Bos Sturz übers Internet als neue Ära in der
       Informationspolitik. Doch ganz ausufern lassen will die Führung die Debatte
       im Netz nicht. Am Mittwoch war die Suche nach dem Namen Bo Xilai, Gu Kailai
       oder auch anderen als heikel betrachteten Begriffen wie "König des
       Südwestens" auf Weibo wieder gesperrt.
       
       11 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Generationswechsel in Chinas KP: Im Schrottferrari in den Ruhestand
       
       Ein schwerer Unfall leitet das Ende Hu Jintaos ein. Seine Vertrauten an der
       Spitze von Chinas KP gelten als verbraucht, korrupt und unmoralisch.
       
 (DIR) Abhörskandal in China: Bo ließ Präsident abhören
       
       Der gestürzte chinesische Spitzenpolitiker Bo Xilai ließ laut einem Bericht
       Funktionäre bis zum Parteichef abhören. Dies war einer der Gründe für seine
       Absetzung.
       
 (DIR) Politologe über chinesische Machtkämpfe: „Der Triumph der Neoliberalen“
       
       Neoliberale nutzen in China die Affäre Bo, um das Experiment einer
       sozialeren Gesellschaft zu diskreditieren, sagt Politiologe Wang Hui. „Aber
       die Ideen werden nicht verschwinden.“
       
 (DIR) Skandal um chinesischen Spitzenpolitiker: Der tiefe Fall des Bo Xilai
       
       Bo Xilai war die Galionsfigur von Chinas Neuer Linker. Sein Sturz hat das
       Kräfteverhältnis innerhalb der kommunistischen Führung erheblich
       verschoben.
       
 (DIR) Debatte China: Unterschätzte Presse
       
       Es heißt, die deutsche Presse versäume es prinzipiell, die politischen
       Vorgänge im Riesenreich präzise abzubilden. Das ist Unfug. Eine Replik.
       
 (DIR) Chinas Internetkontrolle: Mehr Zensur gegen Gerüchte
       
       Behörden reagieren erstaunlich spät auf Berichte über einen angeblichen
       Umsturzversuch. Ein Grund ist der intransparente Machtkampf in der KP
       selbst.
       
 (DIR) Entlassung des KP-Chefs von Chongqing: Machtkampf auf Parteichinesisch
       
       Bo Xilai fiel als Parteichef von Chongqing mit neomaoistischem Stil auf.
       Jetzt ist er entmachtet. Sein Nachfolger dürfte keine politischen Reformen
       bringen.
       
 (DIR) Chinas Nationaler Volkskongress tagt: Mehr Geld fürs Militär
       
       Pekings Pseudoveranstaltung, der Nationale Volkskongress, soll den
       Militräetat um 11,2 Prozent erhöhen. Außerdem tobt ein Machtkampf um die
       neue KP-Führung.