# taz.de -- Neuordnung in Ägypten: Rückschlag für Islamisten
       
       > Die Arbeit der Verfassunggebenden Versammlung wird ausgesetzt. Liberale
       > Politiker, Kopten und Wissenschaftler hatten das Gremium aus Protest
       > verlassen.
       
 (IMG) Bild: Der ursprüngliche Demokratiefahrplan für Ägypten – erst die Verfassung, dann Präsidentschaftswahl – kann nicht eingehalten werden.
       
       KAIRO taz | Das Oberste Verwaltungsgericht in Kairo hat die von der
       Muslimbruderschaft dominierte Verfassunggebende Versammlung aufgelöst. Die
       liberalen Kläger haben sich damit durchgesetzt, doch der Sieg könnte den
       Übergang zur Demokratie in Ägypten gefährden.
       
       Das Verwaltungsgericht hatte sich am Dienstag der Argumentation einer
       Gruppe oppositioneller Anwälte angeschlossen, die gegen die Zusammensetzung
       der Versammlung geklagt hatten. Sie war von Mitgliedern islamistischer
       Parteien dominiert. Die meisten liberalen Politiker sowie Mitglieder der
       koptischen Kirche und der Al-Azhar-Universität hatten das Gremium aus
       Protest verlassen. „Es ist ein großer Schritt vorwärts für uns“, sagt Nadim
       Amin, Mitarbeiter von einem der Hauptkläger. „Wir wollen eine
       Verfassunggebende Versammlung, die die ganze Gesellschaft repräsentiert.“
       
       Die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei (FJP) der Muslimbruderschaft teilte
       in einer offiziellen Stellungnahme mit, dass sie die Gerichtsentscheidung
       akzeptiert. Ein Anwalt der Muslimbruderschaft kündigte hingegen an,
       Einspruch zu erheben.
       
       „Die Islamisten sind die großen Verlierer des Gerichtsbeschlusses“, sagt
       Namira Negm, politische Analystin an der Amerikanischen Universität in
       Kairo. „Was sie jetzt machen, sind nur Manöver. Die FJP sagt, sie würde die
       Entscheidung akzeptieren, während die Führung der Muslimbruderschaft sagt,
       sie will in Berufung gehen. Auf diese Weise wollen sie sich alle
       Möglichkeiten offenhalten.“
       
       Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nur vorläufig. Eine höhere
       Instanz muss letztlich entscheiden, wie die Verfassunggebende Versammlung
       gewählt werden soll. Ob dies das Oberste Verfassungsgericht oder der
       herrschende Militärrat sein wird, darüber sind Politiker und Beobachter
       uneins. Klar ist aber, dass der ursprüngliche Demokratiefahrplan – erst die
       Verfassung, dann Präsidentschaftswahlen – nicht eingehalten werden kann.
       Bereits am 23./24. Mai soll die erste Runde der Präsidentschaftswahlen
       stattfinden.
       
       „Das ist eine Katastrophe“, sagt Negm. „Der Präsident wird genau so viele
       Rechte haben, wie Husni Mubarak hatte. Er wird die neue Verfassung
       maßgeblich beeinflussen können. Genau um so etwas zu verhindern, wurde
       ursprünglich die Revolution gemacht.“
       
       Auch Abdallah al-Ashaal, liberaler Präsidentschaftskandidat, sieht die
       Ziele der Revolution gefährdet. „Nach dem Scheitern der Verfassunggebenden
       Versammlung wird es Monate dauern, bis wir eine neue Verfassung haben. Das
       ist genau das, was der herrschende Militärrat wollte. So kann er noch
       länger an der Macht bleiben, da der neue Präsident in einem Vakuum agieren
       wird.“
       
       11 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raphael Thelen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) tazlab 2012: „Das gute Leben“
       
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