# taz.de -- Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch: Dialektik des Aufhörens
       
       > Die Öffentlichkeit vermutet SpitzenpolitikerInnen seien Maschinen,
       > Machtmaschinen eben. Solche aber können ja gar nicht aus privaten Gründen
       > aufhören zu funktionieren.
       
 (IMG) Bild: Die Vermutung, ein Hinwerfen dokumentiere stets ein Scheitern, ist immer schon da. Gesine Lötzsch.
       
       Der wichtigste, kostbarste Mensch ist krank, todkrank. Und nach einem
       Leben, das nie ein Familienleben sein konnte, weil die Politik Tag und
       Nacht auch ins Privateste hineinregierte, schmeißt eine Parteichefin dann
       hin. Wenigstens zuallerletzt will sie am Bett sitzen und die Hand halten.
       Soll das Telefon einmal für mehr als drei Minuten stille sein. Soll nicht
       das nächste Kamerateam auf der Straße eine Stellungnahme zu Vogelgrippe
       oder Pendlerpauschale verlangen.
       
       Wer sollte, wer dürfte es der Linken-Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch
       verdenken, dass sie das Amt hinlegt und sich ihrem Mann widmet? Eben.
       Voller Respekt äußern sich also Freund wie Gegner. Voller Respekt und –
       Häme über den Zustand der Parteispitze sowie recht eigentlich der ganzen
       Partei: Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wies am Mittwoch
       noch auf den „Niedergang“ der Linkspartei hin.
       
       Es ist SpitzenpolitikerInnen schlicht nicht vergönnt, glaubhaft aus bloß
       familiären Gründen aufzuhören. Die Vermutung, ein Hinwerfen dokumentiere
       stets ein Scheitern, ist immer schon da. Das Aufhören selbst ist zu
       politisch, die Frage zu drängend, wie sich das Vakuum füllen wird, die
       Gelegenheit zu günstig, aus der Lage ein parteipolitisches Profitchen zu
       schlagen.
       
       Selbst wenn Lötzsch den Frau- und Linkspartei-Malus hat, das
       Respektvollsein und Raunen im Jahr 2007 viel größer war – im Prinzip war
       das nicht anders, als der damalige SPD-Vizekanzler Franz Müntefering
       erklärte, er werde nun seine krebskranke Frau Ankepetra pflegen. Das war
       ebenso, als SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier 2010 eine Auszeit
       nahm, um seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere zu spenden.
       
       SpitzenpolitikerInnen sind SpitzenpolitikerInnen, weil sie bewiesen haben,
       dass sie zu einem sehr hohen persönlichen Preis – Dauerbeanspruchung,
       Dauerbeschuss – Politik machen wollen. Die Öffentlichkeit vermutet deshalb,
       es handle sich bei ihnen um Maschinen, Machtmaschinen eben. Solche aber
       können ja gar nicht aus privaten Gründen aufhören zu funktionieren. Rein
       familiäre Gründe werden nicht geglaubt. Aber SpitzenpolitikerInnen wären
       auch keine SpitzenpolitikerInnen, wenn sie nicht aus diesem Misstrauen noch
       die Anerkennung ihres Machtanspruchs herauslesen könnten.
       
       12 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Genossen machen die taz
       
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