# taz.de -- American Pie: Maulheld Ozzie gelobt Besserung
       
       > Nach einer Sperre darf der Trainer des US-Baseballklubs Miami Marlins,
       > Ozzie Guillen, wieder coachen. Sein Vergehen: Sympathie für Fidel Castro.
       
 (IMG) Bild: Ozzie Guillen bereut den größten Fehler seines Lebens: Sympathie für Fidel Castro.
       
       Mindestens 162 Spiele werden die Miami Marlins in dieser Saison bestreiten.
       Aber schon der Sieg in Spiel Nummer 11 wurde gefeiert wie ein Titelgewinn.
       Nach dem 5:2 gegen die Chicago Cubs lag sich die Mannschaft in den Armen,
       während das sonst so entspannte Baseballpublikum ganz aus dem Häuschen
       geriet. Nur einer wollte sich nicht mitreißen lassen von der prima
       Stimmung: „Gott sei Dank ist dieser Tag endlich vorbei“, stöhnte Ozzie
       Guillen.
       
       Schon seltsam: Schließlich hatte der Trainer der Marlins seine Mannschaft
       während der vergangenen fünf Partien nicht betreuen dürfen. Seine Rückkehr
       war aber trotz des Sieges weniger Triumph als Erleichterung. Denn entgegen
       allen Erwartungen hatte das Publikum in Miami den eigenen Manager, so die
       offizielle Berufsbezeichnung des Chefcoachs im Baseball, nicht mit
       Buhrufen, Pfiffen und Protesten empfangen; nur ein einziger Fan belegte
       Ozzie Guillen mit Schimpfworten.
       
       Der Grund für die befürchtete Aufregung war Guillens Satz: „Ich liebe Fidel
       Castro, ich respektiere Fidel Castro“, hatte der schon seit Jahren als
       Dampfplauderer berüchtigte Guillen dem Magazin Time erzählt, „seit sechzig
       Jahren haben viele versucht, ihn umzubringen, aber der Motherfucker ist
       immer noch da“.
       
       ## Keine Verbindung zwischen Gehirn und Mund
       
       Das Loblied auf den Máximo Líder kam in der kubanischen Exilgemeinde von
       Florida gar nicht gut an. Hunderte demonstrierten vor dem Stadion und
       forderten zu einem Boykott der Marlins auf. Das Cuban Liberty Council
       diagnostizierte, dass bei Guillen „keine Verbindung zwischen Gehirn und
       Mund“ vorhanden sei.
       
       Guillen, erst seit dieser Saison Manager in Miami, entschuldigte sich zwar
       und ließ wissen, er habe ausschließlich die Langlebigkeit des kubanischen
       Diktators loben wollen. Aber um die aufgebrachten Kubaner zu beruhigen,
       suspendierten die Marlins ihren Trainer. Auch die Liga MLB fühlte sich
       genötigt, in einem offiziellen Statement zu versichern, dass „solche
       Äußerungen keinen Platz im Baseball haben dürfen“.
       
       Die zwischenzeitliche Aussetzung der Meinungsfreiheit hat vor allem
       finanzielle Gründe: Die Marlins versuchen sich an einem Neustart. Dazu
       gehört nicht nur ein neuer Trainer, sondern auch ein neues Stadion, ein
       neues Logo und ein neuer Name: Die ehemaligen Florida Marlins spielen nun
       im „Marlins Park“. Der hat 515 Millionen Dollar gekostet und bietet über
       37.000 Zuschauern Platz, die nicht nur eine runderneuerte Mannschaft,
       sondern ein Aquarium, einen Swimmingpool und viel Kunst am Bau bestaunen
       können.
       
       Das Prunkstück ist ein Dach, das sich innerhalb von 13 Minuten verschließen
       lässt. Das ist ein unschlagbares Marketinginstrument in einem Bundesstaat,
       der vornehmlich von Rentnern bewohnt wird und während der Baseballsaison im
       Sommer entweder unter drückender Hitze oder heftigem Sturmregen leidet.
       
       ## Retortenklub ohne Tradition
       
       Am mangelnden Komfort allein dürfte es allerdings kaum gelegen haben, dass
       die Marlins in den vergangenen sechs Jahren den miesesten Zuschauerschnitt
       aller MLB-Teams aufzuweisen hatten. Tatsächlich wurde die erst 1993
       gegründete Franchise nie akzeptiert im Süden von Florida, obwohl es
       durchaus Erfolge gab.
       
       Bereits zweimal haben die Marlins die World Series gewonnen, während ein
       Traditionsklub wie die Chicago Cubs seit sage und schreibe 104 Jahren
       vergeblich vom Titel träumt. Aber in Chicago haben sie das Image vom
       liebenswerten Verlierer so geschickt kultiviert, dass das Stadion immer
       ausverkauft ist, in Miami blieben selbst beim letzten World-Series-Gewinn
       2003 viele Plätze leer. Vor allem die Einwanderer aus Mittel- und
       Südamerika mochten sich nie so recht mit dem Retortenklub anfreunden,
       obwohl sie oft aus baseballbegeisterten Ländern stammen.
       
       Nun aber soll alles anders werden: Der Stadionneubau steht mitten im Little
       Havanna genannten Stadtteil von Miami, und das Geld, das es in die Kassen
       spülen wird, wurde bereits in eine attraktive Mannschaft investiert.
       Verträge über einen Gesamtwert von 194 Millionen, mehr als das Zehnfache
       des Branchenkrösus New York Yankees, schlossen die Marlins ab, um
       Spitzenprofis wie Pitcher Mark Buehrle oder Shortstop Jose Reyes zu
       verpflichten.
       
       ## Das größtmögliche Fettnäpfchen
       
       Die entscheidende Rolle bei der Neuorientierung aber kam dem Trainer zu.
       Der in Venezuela aufgewachsene und wegen seines losen Mundwerks zwar
       umstrittene, aber eben auch sehr beliebte Guillen sollte endlich die
       lateinamerikanische Community in Südflorida für die Marlins begeistern.
       Stattdessen ist er mit seiner Castro-Bemerkung prompt in das größte
       Fettnäpfchen getreten, das im von Exilkubanern geprägten Miami bereitsteht.
       
       Andererseits: Die Marlins wussten, auf was sie sich einließen. Fachlich ist
       Guillen nicht unumstritten, sein Unterhaltungswert aber konkurrenzlos.
       Verbale Ausfälle pflastern die Karriere des 48-Jährigen: Einen Journalisten
       nannte er eine „Schwuchtel“, einen seiner Spieler „ein Stück Scheiße“, und
       nach dem World-Series-Gewinn der von ihm trainierten Chicago White Sox 2005
       verweigerte Guillen den üblichen Besuch im Weißen Haus.
       
       Auch zu politischen Themen äußert sich niemand im Baseball so dezidiert:
       Vor allem gegen den seiner Meinung nach immer noch vorhandenen Rassismus in
       dem Sport, in erster Linie gegen Latinos, wettert er. Nun hat Guillen
       versprochen, „sich nicht mehr zu Dingen äußern zu wollen, die mich nichts
       angehen“. Die Castro-Bemerkung hat er als „größten Fehler meines Lebens“
       bezeichnet. Ob er die Neuerfindung der Marlins damit entscheidend
       torpediert oder vielleicht sogar befördert hat, wird sich erst noch zeigen
       müssen in den kommenden 151 Spielen.
       
       18 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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