# taz.de -- Kommentar Demografie: Willkommen im leeren Deutschland
       
       > Durch die demografische Entwicklung läuft Deutschland auf eine
       > Zweiklassenrepublik hinaus. Hier die vollen, lebendigen Städte, dort die
       > menschenleere, abgeschriebene Provinz.
       
       BERLIN taz | Die Straße wird leerer, die Luft besser. Die Natur kriegt mehr
       Platz, Wölfe, Bären und Luchse auch. Yippieh, die Deutschen werden weniger!
       Die Kinder finden leichter einen Job, Frauen genauso. Rentner reisen nach
       Indien oder ziehen in eine WG – wie im Kino. Kann man den demografischen
       Wandel nicht einfach mal so sehen? Leider nicht.
       
       Es wird nämlich auch Verlierer geben. Wer in der Uckermark oder in
       Nordhessen lebt, muss damit rechnen, dass bei einem Notfall der Arzt nicht
       in zehn Minuten zur Stelle ist. Da kann Innenminister Hans-Peter Friedrich
       noch so oft behaupten, er wolle keine Region aufgeben.
       
       Der Republik fehlt das Geld, um jeden Landstrich zu versorgen. Deshalb muss
       man die Leute dort nicht wegjagen. Aber ehrlich sein sollte man schon. Mit
       einer subventionierten Fabrik, einer schmucken neuen Straße kommt man nicht
       weiter. Es läuft auf eine Zweiklassenrepublik hinaus – hier die vollen,
       lebendigen Städte, dort die menschenleere, abgeschriebene Provinz.
       
       Es sei denn, die Regierung wollte dem Schwund tatsächlich etwas
       entgegensetzen. Die Demografiestrategie aber, die Friedrich vorlegt,
       leistet das nicht. Schon der Titel „Jedes Alter zählt“ ist verräterisch,
       denn eigentlich sollte er „Deutschland denkt weiter“ heißen. Die Politik
       aber verweigert sich, verlässt sich lieber auf die bekannten Maßnahmen, auf
       den Krippenausbau (hakt) oder auf die Pflegereform (ein Reförmchen). Schon
       heute werden die Pflegebedürftigen und Demenzkranken vernachlässigt. Ihre
       Zahl aber wird noch steigen. Macht Schwarz-Gelb weiter wie bisher, werden
       die Kassen noch leerer und außer den eigenen Kindern wird niemand mehr da
       sein, der sich kümmert.
       
       Pflegerinnen und Pfleger müssen einfach besser bezahlt, der Job attraktiver
       werden. Natürlich ist es diskussionswürdig, wie das finanziert werden soll,
       wenn nur noch wenige Junge in die Sozialkassen einzahlen.
       Nachwuchspolitiker der Union dachten da vor kurzem an eine Demografieabgabe
       für Kinderlose. Die Peitsche? Geburtenkontrolle wie in China? Super Niveau!
       
       Es gibt nicht die eine Maßnahme, welche die Republik davor bewahrt, ein
       großes deutsches Altenheim zu werden. Aber vor der einen unvermeidlichen
       hat das Land Angst: Zuwanderung fördern. Dabei führt sogar der bestimmt
       nicht sentimentale Economist unter den deutschen Standortnachteilen die
       mangelnde Willkommenskultur auf. Jeder Migrant zählt, der gutes Geld
       verdienen darf und Steuern zahlt. In diese Richtung muss Deutschland weiter
       denken.
       
       24 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Das älteste Dorf Deutschlands: Morgen heute
       
       Es gibt kein Kind und keine Teenager im Dorf. Aber die Menschen, die in
       Hisel leben, sind entschlossen, bis zum Ende zu bleiben.
       
 (DIR) Bevölkerungszahl leicht gestiegen: Zuwanderer sorgen für Wachstum
       
       Die deutsche Bevölkerungszahl ist erstmals seit Jahren wieder leicht
       angestiegen. Das Wachstum ist der Zuwanderung zu verdanken. Die
       Geburtenzahl sank hingegen weiter.
       
 (DIR) Demenzkranke: „Ich habe ein Leben gehabt“
       
       Zehn Demenzkranke in einer WG: Wenn Kathrin Pläcking alte Menschen betreut,
       sieht sie Möglichkeiten, nicht Grenzen. So kam sie auf einen schockierenden
       Zukunftsroman.
       
 (DIR) Pflege von Demenzkranken: Recht auf ein selbstständiges Leben
       
       Der Ethikrat fordert, die Wünsche von Menschen mit Demenz stärker zu
       berücksichtigen. Dafür sollten „mehr finanzielle Ressourcen als bisher
       aufgewendet werden“.
       
 (DIR) Alte Menschen in Pflegeeinrichtungen: Satt, aber wundgelegen
       
       Heimbewohner werden heute besser versorgt als vor fünf Jahren. Optimal ist
       das aber noch lange nicht, glaubt man dem dritten Pflege-Qualitätsbericht.
       
 (DIR) Demografie-Erhebung in Deutschland: Die Zukunft ist silbergrau
       
       Deutschland veraltet zunehmend. Faktoren wie Arbeit, Wohnen und Gesundheit
       ändern sich, Politik und Wirtschaft müssen sich anpassen. Ein Blick auf die
       nächsten 50 Jahre.
       
 (DIR) Kabinett beschließt Rentenerhöhung: Die Inflation frisst den Zuschlag
       
       Nach drei Jahren bekommen Rentner einen deutlichen Zuschlag. Grund ist die
       gute Konjunktur. Doch die Erhöhung fällt niedriger aus als erwartet – und
       liegt knapp an der aktuellen Inflationsrate.
       
 (DIR) Christine Lieberknecht über Familienpolitik: „Das hat etwas von einem Kulturkampf“
       
       Viele CDU-Politiker wollen kein Betreuungsgeld für Eltern. Doch Thüringens
       Ministerpräsidentin Lieberknecht ist dafür: Die Debatte hält sie für
       emotional und überhitzt.
       
 (DIR) Kommentar Sozialkassen: Beiträge senken? Auf keinen Fall
       
       Den Sozialkassen geht es gut, doch jetzt die Beiträge zu senken wäre
       falsch. Die Kosten für das Sozialsystem werden steigen und auch die
       Industrie muss ihren Teil beitragen.