# taz.de -- Guantanamo-Prozess: „Heiliger Krieg im Gerichtssaal“
       
       > Chaotische Szenen zum Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Drahtzieher
       > der Terroranschläge von 9/11: Die Angeklagten zeigten ihr Desinteresse,
       > beteten und verweigerten die Aussage.
       
 (IMG) Bild: Gerichtszeichnung der Angeklagten.
       
       GUANTANAMO dapd | Zum Auftakt des Prozesses gegen den mutmaßlichen
       Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA haben
       sich am Wochenende chaotische Szenen abgespielt.
       
       Khalid Sheikh Mohammed und vier Mitangeklagte verweigerten am Samstag vor
       einem Militärgericht auf dem US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba die Aussage,
       beteten und ignorierten den Richter. Die für wenige Stunden angesetzte
       Anklageverlesung dauerte schließlich 13 Stunden.
       
       Die fünf Angeklagten sollen die Anschläge auf das World Trade Center in New
       York sowie das Pentagon nahe Washington geplant haben. Ihnen werden unter
       anderem Mord in 2.976 Fällen, Terrorismus und Flugzeugentführung
       vorgeworfen.
       
       Die US-Regierung versucht bereits zum zweiten Mal, die Anschläge des
       Terrornetzwerks Al-Kaida juristisch aufzuarbeiten. Vor mehr als drei Jahren
       war der Prozess unterbrochen worden, weil US-Präsident Barack Obama die
       Fälle vor einem Zivil- statt einem Militärgericht verhandeln lassen wollte.
       Dies scheiterte allerdings am Widerstand des Kongresses.
       
       Mohammed ging am Samstag auf die Fragen des Gerichts nicht ein. Sein
       Mandant halte das Verfahren offenbar für unfair, sagte sein Verteidiger
       David Nevin zur Begründung. Auch ein Verteidiger des zeitweilig in Hamburg
       lebenden Jemeniten Ramsi Binalschibh sagte, sein Mandant werde nicht
       antworten, ohne dass Fragen der Inhaftierung geklärt würden.
       
       ## Angeklagte beten im Gerichtssaal
       
       Binalschibh und sein Mitangeklagter Ali Abd al Aziz Ali gingen neben der
       Anklagebank auf die Knie und beteten, die anderen Beschuldigten reichten
       ein Nachrichtenmagazin herum und lasen. Binalschibh erhob Vorwürfe gegen
       einen Mitarbeiter des Gefangenenlagers und verglich ihn mit dem früheren
       libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi. Zudem sagte Binalschibh, er sei in
       Gefahr: „Vielleicht töten sie mich und sagen dann, dass ich Selbstmord
       begangenen hätte.“
       
       Militärrichter Oberst James Pohl erklärte, er werde eine Verschleppung des
       Verfahrens nicht dulden. „(Die Angeklagten) können nicht die Teilnahme
       verweigern und den normalen Verlauf des Verfahrens behindern“, sagte Pohl.
       Der Angeklagte Walid bin Attasch wurde kurzzeitig an einem Stuhl
       festgegurtet.
       
       Die Verteidiger diskutierten mehrere Stunden die Qualifikation von Richter
       Pohl und die Zuständigkeit des Gerichts. Zudem kritisierten sie die
       Behandlung ihrer Mandanten. Mohammed sei beispielsweise einer unnötigen
       Leibesvisitation unterzogen worden, sagte sein Anwalt Nevin.
       
       Attaschs Anwältin Cheryl Bormann erschien mit einem Kopftuch zur Verlesung
       der Anklage. Sie forderte das Gericht auf, die anderen Frauen im Saal
       anzuweisen, sich „angemessen“ zu kleiden.
       
       ## Prozess dürfte lange dauern
       
       Beobachter rechnen mit einem langwierigen Verfahren. Die Anklageverlesung
       „ist nur der Beginn eines Prozesses, der Jahre dauern wird, gefolgt von
       weiteren Jahren im Berufungsverfahren“, sagte der Anwalt James Connell, der
       den Angeklagten Ali vertritt. „Ich kann mir kein Szenario ausmalen, in dem
       diese Sache innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen wird.“
       
       In den USA verfolgten Angehörige der Opfer der Anschläge vom 11. September
       2001 das Verfahren per Videoübertragung. „Ich will Zeuge sein, wenn diese
       Leute ihrer gerechten Strafe zugeführt werden“, sagte Al Santora, dessen
       Sohn Christopher als Feuerwehrmann in den Trümmern des World Trade Centers
       ums Leben kam.
       
       Das Verhalten der Angeklagten beim Prozessauftakt erregte den Unmut der
       Opferfamilien. „Kommt schon, wollt ihr mich veralbern?“, rief ein
       aufgebrachter Zuschauer im Militärstützpunkt Fort Hamilton angesichts der
       chaotischen Zustände in Guantanamo. Auch Debra Burlingame, deren Bruder
       Charles bei dem Anschlag auf das Pentagon um Leben kam, war entsetzt: „Sie
       tragen den Heiligen Krieg in den Gerichtssaal.“
       
       6 May 2012
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Anhörung in Guantánamo: Gitmo-Five brechen ihr Schweigen
       
       In Guantánamo läuft eine fünftägige Anhörung der fünf mutmaßlichen
       Drahtzieher von 9/11. In dem für 2013 geplanten Prozess droht den Männern
       die Todesstrafe.
       
 (DIR) Letzter westlicher Häftling überführt: Einer weniger in Guantanamo
       
       Nach zehn Jahren in Guantanamo kehrt Omar Khadr nun wieder heim. Doch auch
       in seinem Geburtsland wartet ein Hochsicherheitsgefängnis auf den
       26-Jährigen.
       
 (DIR) In Guantánamo gestorben: Das Ende endloser Gefangenschaft
       
       Der Jemenit Adnan Latif sollte schon seit 2006 freigelassen werden. Am
       vergangenen Wochenende ist er in Guantánamo gestorben.
       
 (DIR) Knäste in Kuba: 57.000 Häftlingen soll es besser gehen
       
       Selten hat sich Kubas Führung zur Anzahl der Inhaftierten auf der Insel
       geäußert. Jetzt wurde bekannt, dass über 57.000 Menschen sitzen. Die
       Haftbedingungen sollen verbessert werden.
       
 (DIR) CIA verhindert Anschlag: Sprengsatz von Al Qaida
       
       Der US-Geheimdienst hat nach Angaben der Regierung ein Anschlag auf ein
       Flugzug vereitelt. Das Ziel war ein Passagierflugzeug auf den Flug in die
       USA.
       
 (DIR) 9/11-Prozess in Guantánamo: Militärjustiz hinter Stacheldraht
       
       Am Wochenende wird die Anklage gegen die fünf mutmaßlichen Drahtzieher des
       11. September 2001 verlesen. Vor einem Militärgericht, fern der USA.