# taz.de -- Kommentar Rot-Grün: Grimmiger Wahlsieger
       
       > Die SPD hat ein Mobilisierungsproblem: Wenn die Sozialdemokraten die
       > nächste Regierung anführen wollen, müssen sie Schwarz-Gelb entschiedener
       > Paroli bieten.
       
       SPD und Grüne haben in Kiel die Chance, mit der Dänenpartei SSW zu
       regieren. Es ist knapp, aber möglich. Schwarz-Gelb ist, trotz der
       wundersamen Wiederkehr der FDP, out. Das wird auch bei der Bundestagswahl
       so bleiben. Die Linkspartei befindet sich im Westen in einem
       Abwärtsstrudel. In Düsseldorf kann Rot-Grün trotz Piraten-Hype am nächsten
       Sonntag auf eine eigene Mehrheit hoffen.
       
       Die rot-grünen Aussichten spiegeln offenbar die Stimmung: Gerechtigkeit und
       soziale Sicherheit stehen hoch im Kurs. François Hollande hat in Frankreich
       zudem gezeigt, dass auch etwas farblose, aber vertrauenswürdige
       Sozialdemokraten siegen können. Sie müssen nur die richtige Balance
       zwischen Pragmatismus und dem Versprechen finden, die Bürger vor den
       Erschütterungen des außer Rand und Band geratenen Finanzkapitalismus zu
       schützen.
       
       Steht in Deutschland also eine rot-grüne Renaissance bevor – mit der SPD
       als „strategischem Zentrum“, wie Sigmar Gabriel fröhlich verkündet? Eher
       nicht. Der SPD-Chef feiert zwar entschlossen die „drastischen Gewinne“ der
       Sozialdemokraten in Kiel. Doch Fakt ist, dass die Partei sogar ein paar
       tausend Stimmen weniger bekommen hat als beim Wahldebakel 2009. Wenn man
       das SPD-Resultat genauer anschaut, versteht man, warum Gabriel so grimmig
       darauf beharrt, Wahlsieger zu sein. Die CDU war im Norden in zerzausten
       Zustand und ohne Machtperspektive. SPD-Mann Torsten Albig hatte
       fantastische Sympathiewerte.
       
       57 Prozent wollten ihn als Ministerpräsident, noch nicht mal die Hälfte den
       CDU-Mann de Jager. Rot-Grün war in Umfragen die einzige Koalition, für die
       sich eine Mehrheit erwärmen konnte. Ein populärer Kandidat, heftige
       Wechselstimmung – alles sprach für einen rauschenden Sieg für Rot-Grün.
       Allein – viele SPD-Sympathisanten hatten dann doch keine Lust, wählen zu
       gehen.
       
       Auch wenn die Operation Dänen-Ampel gelingt und Albig Ministerpräsident
       wird – die Wahl im Norden hat ein dramatisches Problem der SPD offengelegt.
       Es gelingt ihr, auch bei glänzender Ausgangslage, nicht, ihre
       Anhängerschaft zu mobilisieren. Der SPD fehlt dazu die scharfkantige
       Attacke und eine überzeugende Erzählung, was sie anders machen will.
       
       Angela Merkel hat die Union weichgespült in der Mitte positioniert.
       Atomenergie und, wenn auch nur als Mogelei, den Mindestlohn hat sie als
       Themen abgeräumt. Die Kanzlerin will lautlos an der Macht bleiben. Bis
       jetzt ist der SPD dazu weder personell noch inhaltlich viel eingefallen.
       Bei der Eurorettung stimmte Rot-Grün stets mit Schwarz-Gelb.
       
       Wenn die Sozialdemokraten die nächste Regierung anführen wollen, müssen sie
       Schwarz-Gelb entschiedener Paroli bieten, sich vehement für eine hohe
       Reichensteuer, das Ende der einseitigen Sparpolitik und harte
       Finanzmarktregulierungen einsetzen.
       
       Das ist riskant – aber immer noch besser als im Schlafwagen Richtung große
       Koalition zu rollen. Einen scharfen Oppositionskurs müsste die SPD
       allerdings jetzt einschlagen – als Wahlkampfmanöver 2013 wird sie ihre
       wahlmüde Klientel kaum überzeugen. Und im Bundestag gibt es keinen SSW, der
       Rot-Grün retten könnte.
       
       7 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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