# taz.de -- Kommentar Kommunalwahlen in Italien: Komiker wird zum Schreckgespenst
       
       > Bei den Kommunalwahlen in Italien ist der eigentliche Sieger die Bewegung
       > von Beppe Grillo. Für die alten Parteien könnte sie eine ernsthafte
       > Bedrohung werden.
       
 (IMG) Bild: Der Comedian Beppe Grillo hat mit seiner „Bewegung 5 Sterne“ die politische Landschaft Italiens aufgemischt.
       
       „Keinen Boom“ mochte Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano erkennen,
       als er auf die triumphalen Wahlerfolge der Protestliste „Bewegung 5 Sterne“
       (M5S) bei den kommunalen Teilwahlen am letzten Sonntag und Montag
       angesprochen wurde. Mit dieser Einschätzung steht Napolitano wohl ziemlich
       allein: Die erst 2009 gegründete Bewegung um den Komiker Beppe Grillo, die
       bisher weder über Geld noch über Medienaufmerksamkeit verfügte, gewann
       überall im Norden und der Mitte Italiens zwischen 10 und 20 Prozent. Sie
       ist das neue Schreckgespenst der „alten“ Parteien.
       
       Ein Protestvotum: Dies ist denn auch das einhellige Urteil aller
       Kommentatoren in Italien. Ein Urteil, das weit über den Erfolg der
       Grillo-Listen hinaus Gültigkeit hat. Vom Protest regelrecht abgestraft
       wurde vor allem der abgehalfterte Ex-Premier Silvio Berlusconi. Seine
       Partei stürzte von Genua im Norden bis Palermo im Süden dramatisch ab.
       
       Die Rechtswähler, die ihm nach seinem Sturz im November 2011 noch die
       Stange hielten, verzeihen Berlusconi offenbar nicht, dass er nun kleinlaut
       die Sparpolitik seines Nachfolgers Mario Monti mitträgt. Sie blieben in
       Scharen zu Hause, die Wahlbeteiligung fiel um fast sieben Prozent.
       
       Protest bekam genauso eine alteingessene Protestpartei, die
       rechtspopulistisch-rassistische Lega Nord zu spüren, deren Werte ebenfalls
       dramatisch einbrachen. Sie steht zwar in harter Opposition zu Monti – doch
       zu frisch ist die Erinnerung daran, dass sie in Rom jahrelang mitregiert
       hatte. Ein übriges tat der Skandal um die Veruntreuung von Millionengeldern
       aus der Parteikasse, die dazu genutzt wurden, den Söhnen des
       Lega-Übervaters Umberto Bossi jeden erdenklichen Luxus zu finanzieren.
       
       ## Grillo trifft einen Nerv
       
       Kurz: Die rechten Wähler blieben en masse zu Hause – und die Linke darf
       unter den „alten“ Kräften deshalb als Siegerin nach Punkten gelten. Der
       Erfolg wird dem Partito Democratico (PD) aber durch den Aufschwung der
       Grillo-Liste gründlich vergällt. Grillo lässt kein gutes Haar an Montis
       Austeritätspolitik, er wettert gegen das „Europa der Banken“ und kann sich
       einen Austritt Italiens aus dem Euro vorstellen. Zu Hause wünscht er sich,
       dass „die Italiener endlich sich selbst wählen“ statt der angestammten
       Parteien von rechts bis links, die er zur verbrauchten politischen
       Archäologie rechnet.
       
       Damit trifft Grillo den Nerv gerade der jüngeren Generation – und unter
       ihnen spricht er vor allem die Gutausgebildeten an. Seine Gefolgschaft
       besteht nicht aus tumben, ignoranten Zeitgenossen, deren einziges
       politisches Forum der Stammtisch ist, sondern aus bestens informierten
       Menschen, die sich in den Internetforen der Bewegung rege austauschen.
       
       Es sind Menschen, die bei einer Jugendarbeitslosigkeit, die an die 40
       Prozent geht, bei immer neuen Kürzungen in Universitäten und Schulen, bei
       der fortschreitenden Prekarisierung des Arbeitsmarktes die Hoffnung darauf
       verloren haben, dass dieses Italien und dieses Europa ihnen anderes als
       immer neue Streichkonzerte bieten werden.
       
       Italiens institutionelle Linke hofft jetzt, nach Francois Hollandes
       Wahlsieg in Frankreich, auf einen Kurswechsel in Europa. Sollte der
       ausbleiben, dann dürfte die Grillo-Bewegung bei den nächsten
       Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 einen weiteren Triumph erleben und zur
       dritt-, wenn nicht gar zur zweitstärksten Kraft des Landes aufsteigen.
       
       9 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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