# taz.de -- Staudammbau in Brasilien: Kahlschlag mit deutscher Hilfe
       
       > Seit Jahresbeginn rollt im Gebiet um den geplanten Staudamm Belo Monte in
       > Amazonien schweres Gerät – aus Deutschland. Filmemacher Martin Keßler
       > will wachrütteln.
       
 (IMG) Bild: Die Vorwürfe gegen das Staudammprojekt Belo Monte: Abholzung, zerstörte Flussläufe und Zwangsumsiedlungen.
       
       BERLIN taz | Gleich neben dem Mercedes-Stern prangen rote Handabdrücke auf
       der Karosserie des Lastwagens am Rande der Baustelle. Sie stehen
       sinnbildlich für die Vorwürfe, die Menschenrechtler und Umweltschützer
       weltweit gegen das Staudammprojekt Belo Monte im nordbrasilianischen
       Amazonasgebiet erheben: Abholzung des Tropenwaldes, Zerstörung der
       Flussläufe, Zwangsumsiedlungen tausender Menschen.
       
       Die Szene stammt aus dem jetzt erschienenen Film „Count-Down am Xingu II“
       des politisch-orientierten Filmemachers Martin Keßler. Er dokumentiert die
       laufenden Bauvorbereitungen für das umstrittene Mega-Projekt am
       Amazonasnebenfluss Xingu - für die seit Jahresbeginn trotz dutzend
       anhängiger Gerichtsverfahren auch deutsche Lastwagen im Einsatz sind.
       
       „Das Baukonsortium und die brasilianische Regierung schaffen bei Belo Monte
       Fakten und deutsche Firmen bedienen diese Kultur einfach“, sagt Keßler. Das
       Projekt stehe exemplarisch für die zurückgebliebene, internationalen
       Nachhaltigkeitsdebatte. Mit der am Donnerstag in Berlin angelaufenen
       Deutschlandtour seines Filmes, will er neue Impulse geben.
       
       Begleitet wird die Deutschlandtour von einer Kampagne, die insgesamt zwölf
       Organisationen um die Nichtregierungsorganisation Gegenströmung betreiben.
       Dass ausgerechnet Wagen des Herstellers Mercedes-Benz do Brasil, einer
       Tochter der deutschen Daimler AG, das Erdreich für den Staudamm
       wegtransportieren, wollen sie nicht einfach so akzeptieren.
       
       ## Petitonsbriefe an die involvierten Unternehmen
       
       „Wir wollen den Unternehmen signalisieren, dass sie beobachtet werden und
       Rechenschaft schuldig sind“, sagt Heike Drillisch von Gegenströmung.
       Deshalb sollen mit Siemens, Daimler und der Münchener Rückversicherung die
       involvierten Unternehmen aus Deutschland Petitionsbriefe bekommen, in denen
       Bürger ihre Sorgen um die Auswirkungen des Staudammprojekts ausdrücken.
       
       Die könnten Keßlers Recherchen und Interviews zufolge gewaltig sein. Nicht
       nur, weil unzählige, als CO2-Speicher fungierende Tropenbäume gefällt, etwa
       100 Millionen Tonnen Erdreich bewegt und 500 Quadratkilometer Fläche durch
       den Stausee geflutet werden sollen.
       
       Vor allem die Umsiedlung der ansässigen Bewohner am Amazonasnebenfluss
       Xingu, darunter auch ein Drittel Indigene und der Zuzug von etwa 100.000
       Arbeitskräften stellen die Region vor gewaltige Herausforderungen. Die
       Immunsysteme der Ureinwohner sind auf ein Leben in der Stadt nicht
       ausgerichtet.
       
       „Und das Gesundheitssystem der anliegenden Stadt Altamira ist schon mit den
       bisher zugezogenen 8.000 Arbeitern überfordert“, sagt Keßler. „Nach
       vielfältigen Umweltschutzauflagen wurde das Projekt genehmigt“, schreibt
       die Daimler AG auf Anfrage für die Gründe ihrer Beteiligung am Bauprozess
       mit 540 Lastwagen, für die sie rund 83 Millionen Euro erhält.
       
       ## Billige Energiequelle
       
       „Wir achten die Entscheidungen eines souveränen demokratischen Staates wie
       Brasilien, hier gilt für uns der Primat der Politik.“ Die Münchener Rück
       sieht das ähnlich: „Für diesen Kurs, das starke Wirtschaftswachstum des
       Landes durch den Ausbau von erneuerbaren Energien zu unterstützen, hat die
       Regierung starken und breiten Rückhalt in der Bevölkerung“, schreibt eine
       Sprecherin.
       
       „Bei Munich Re spielen Nachhaltigkeitsaspekte neben der rein technischen
       Bewertung von Risiken eine wichtige Rolle.“ Natürlich müsse Brasiliens
       Gesellschaft selbst diskutieren, welche Energieversorgung sie haben wolle,
       sagt Heike Drillisch von GegenStrömung.
       
       Doch entgegen der Angaben der brasilianischen Regierung, 80 Prozent der
       Energie aus Belo Monte ginge an die Bevölkerung, sieht sie eher eine
       billige Energiequelle für die großen Aluminiumunternehmen in Brasilien.
       Deren Produkte gehen widerum in den Weltmarkt, etwa zur Produktion
       deutscher Autos.
       
       Claudio Terre de Amaral, Staatsanwalt in Altamira erklärt in Keßlers Film:
       „Ein Großteil der 40 sozialen und umweltrelevanten Auflagen, die
       brasilianische Behörden dem Bau-Konsortium Norte Energia machten, sind
       nicht erfüllt, das ist rechtswidrig.“ Darüber hinaus verstößt die
       Projektplanung ohne Einbeziehung der indigenen Anwohner gegen das
       Übereinkommen über eingeborene Völker der Internationalen
       Arbeitsorganisation.
       
       ## Protestbesucher bei den Firmen
       
       „Die Einhaltung von internationalen Rechtsgrundsätzen sind keine Sache des
       Nationalstaates und hier müssen Unternehmen auch Verantwortung übernehmen,
       wenn sie mitverdienen wollen“, sagt Drillisch. Mit Protestbesuchen bei den
       Firmen will das Bündnis dies bis zum nächsten Nachhaltigkeitsgipfel der
       vereinten Nationen deutlich machen.
       
       Dieser findet im Juni ausgerechnet in Brasilien statt und soll wie beim
       ersten Treffen in Rio de Janeiro vor zwanzig Jahren Maßstäbe für eine
       globale Nachhaltigkeitspolitik setzen. Ob der Protest noch etwas ändern
       kann, scheint fraglich, auch weil die Regierung der brasilianischen
       Präsidentin Dilma Rousseff laut Keßler viele Anwohner und Indigene
       einschüchtert oder Privilegien verspricht und so den Widerstand am
       Xingu-Fluss zermürbt.
       
       Große Teile der deutschen Investititonen sind außerdem bereits getätigt und
       ob das Projekt noch juristisch gestoppt werden kann, ist kaum absehbar,
       auch das geht aus Martin Keßlers Reportage hervor. „Aber es geht auch nicht
       nur darum, Belo Monte zu stoppen“, sagt der Filmemacher.
       
       Weitere 70 Staudammprojekte in Amazonien seien in Planung und „hier können
       die deutschen Firmen auch als Vorreiter auftreten und gemeinsam mit der
       Zivilbevölkerung andere Wege sichtbar machen“, sagt er. Siemens, das an
       Turbinen und Transformatorenlieferungen für das 11.000 Megawatt-Kraftwerk
       verdient, könne auch bestehende Kraftwerke modernisieren.
       
       12 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karen Grass
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Brasilien
 (DIR) Merowe-Staudamm
       
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