# taz.de -- Kommentar Nachhaltigkeit: Riesiger Markt für fairen Handel
       
       > Unterm Strich ist es ein positives Urteil: Der Europäische Gerichtshof
       > hat entschieden, dass der Staat seine Einkäufe ökologischer und sozialer
       > gestalten kann.
       
       Wenn der Staat einkaufen geht, hat er eine riesige Marktmacht, mit der er
       auch ökologisch und sozial steuern kann. Staatliche Aufträge machen
       immerhin 17 Prozent des Sozialprodukts aus. Allein in Deutschland werden
       von Bund, Ländern und Gemeinden jährlich Aufträge im Wert von 360
       Milliarden Euro vergeben, in der EU geht es um zwei Billionen Euro. Der
       Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun in einem unter dem Strich eher
       positiven Grundsatzurteil die Regeln für eine nachhaltige Vergabepolitik
       präzisiert.
       
       Dass der Staat seine Einkäufe auch mit ökologischen und sozialen Kriterien
       verbinden darf, ist längst nicht mehr strittig. Anders als früher muss er
       nicht mehr auf das billigste Angebot zugreifen. Das hat die EU in ihrer
       Vergaberichtlinie schon 2004 geklärt, der deutsche Gesetzgeber hat dies
       2009 umgesetzt.
       
       Der EuGH hat nun klargestellt, dass der Staat nicht nur ökologische und
       soziale Vorgaben für das Produkt und seine Herstellungsbedingungen
       aufstellen kann, sondern auch für den fairen Handel. Bei Kaffeeautomaten in
       öffentlichen Gebäuden kann zum Beispiel verlangt werden, dass der Kaffee
       „fair-trade“ Kriterien genügt, auch wenn der Kaffee selbst deshalb nicht
       anders schmeckt. Damit hat der EuGH vor allem die Möglichkeit
       sichergestellt, soziale Kriterien bei der Vergabe von öffentlichen
       Aufträgen zu berücksichtigen.
       
       ## Geeignete Kriterien
       
       Allerdings verlangt der EuGH vom Staat, dass er vorab ganz genau erklärt,
       auf welche Kriterien er Wert legt. Es genüge nicht, auf ein bestimmtes Öko-
       oder Fair-Trade-Siegel zu verweisen. Das ist auf den ersten Blick misslich,
       denn der Verweis auf die Siegel war eine positive Form des Outsourcing. Die
       staatlichen Einkäufer konnten es den Spezialisten überlassen, geeignete
       Kriterien aufzustellen und ihre Einhaltung zu überwachen.
       
       Denn nur wenn nachhaltige Vergabe einfach und überschaubar abgewickelt
       werden kann, wird sie sich auf breiter Front durchsetzen und nur dann kann
       sie tatsächlich den Markt positiv beeinflussen.
       
       Die Kritik von EU-Kommission und EuGH ist aber nachvollziehbar. Gerade bei
       europaweiten Ausschreibungen ist es für potenzielle Leistungsanbieter
       einfacher, wenn die konkreten Anforderungen genannt werden, als wenn nur
       auf ein zum Beispiel niederländisches Siegel verwiesen wird. Außerdem kann
       die nachhaltige Beschaffung schnell zu einem gut getarnten nationalen
       Protektionismus werden, wenn dann noch der Besitz des niederländischen
       Siegels vorausgesetzt wird, das wohl viele ausländische Anbieter gar nicht
       vorweisen können.
       
       Die vom EuGH aufgestellten Anforderungen sind auch erfüllbar. Der
       staatliche Auftraggeber darf nämlich beispielhaft durchaus auf Öko- und
       Fairtrade-Gütesiegel verweisen, so dass diese ihr Gewicht behalten werden.
       Und er darf auch weiter vermuten, dass mit einem Gütesiegel zertifizierte
       Produkte seine Anforderungen erfüllen.
       
       Im übrigen muss er nur die Anforderungen der Gütesiegel abschreiben und in
       seine Ausschreibung übernehmen. So wird Transparenz und Effizienz auch bei
       der nachhaltigen Beschaffung gewahrt. Beste Chancen, dass ihr Gewicht
       weiter so wächst wie in den letzten Jahren.
       
       11 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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