# taz.de -- Jugendbanden in El Salvador: „Banden können Teil der Lösung sein“
       
       > Der ehemalige Guerillakommandant Raúl Mijango hat es geschafft: Er
       > vermittelte ein Abkommen zwischen den zwei größten und gewalttätigsten
       > Jugendbanden El Salvadors.
       
 (IMG) Bild: Die Gang ist ihm ins Gesicht geschrieben: Mitglied einer Jugendbande.
       
       taz: Herr Mijango, Sie haben das Abkommen der beiden Jugendbanden
       Salvatrucha und Mara 18 vermittelt. Glauben Sie, dass es eine Perspektive
       hat? 
       
       Rañl Mijango: Ich halte es für irreversibel, weil alle gewinnen. Es hat dem
       Land seit 9. März 342 Tote erspart. Das Besondere ist, dass es sich nicht
       um einen Verhandlungsprozess zwischen Regierung und Banden handelt, sondern
       um ein Abkommen zwischen den Banden.
       
       Halten sich alle Bandenmitglieder daran? 
       
       Die Basis respektiert sehr diszipliniert die Entscheidungen ihrer Chefs. Es
       gilt ein strenger Ehrenkodex, in dem Wortbruch verpönt ist. Natürlich hat
       es vorher einen Konsultationsprozess gegeben.
       
       Aber die Banden treffen sich ja jetzt schwerlich nur mehr zu
       Kaffeekränzchen. 
       
       Die Schutzgelderpressungen und der Drogenhandel gehen vorerst weiter. Aber
       wir haben erreicht, dass die Banden erkennen, dass sie nicht nur Teil des
       Problems sind, sondern auch Teil der Lösung sein können. Auch die etwa
       10.000 Gefangenen haben ein Kommuniqué herausgegeben, in dem sie den
       Prozess unterstützen, obwohl ihnen weder Amnestie noch Strafnachlass in
       Aussicht gestellt wurden.
       
       Vor nicht allzu langer Zeit hieß es, das Problem der Jugendbanden sei
       politisch unlösbar. 
       
       Das war ein Irrtum. Die Bandenchefs sind sehr gebildet, sie lesen viel. Die
       meisten sind zweisprachig und kennen die Gesetze.
       
       Und wie kann ihnen die Regierung entgegenkommen? 
       
       Es geht nicht nur um ein kriminelles Phänomen, sondern um dessen soziale
       und wirtschaftliche Ursachen. Es geht um Ausgeschlossene, die keine Arbeit
       finden. Wenn sie Jobangebote hätten, würden sie diese annehmen. Eine
       Politik der harten Hand löst nur mehr Gewalt aus. Präsident Mauricio Funes
       will daher die Gesellschaft aufrufen, den Prozess zu unterstützen. Ich
       denke da an Programme, wie sie nach dem bewaffneten Konflikt den ehemaligen
       Guerilleros und Soldaten angeboten wurden. Wir brauchen Stipendien und
       Kleinunternehmen. Die Gefängnisse müssen in Produktionszonen umgewandelt
       werden, wo die Häftlinge Geld verdienen können und nicht ihren Familien auf
       der Tasche liegen.
       
       Ein Jugendlicher, der nichts gelernt hat, gewinnt mit einer Waffe Prestige.
       Welches Interesse können die haben, jetzt Bäcker oder Kellner zu werden? 
       
       Aus einem guten Grund haben sie Interesse: Erstens ist ihre Lebenserwartung
       in der Bande fast null. Dann stimmt es auch nicht, dass sie mit illegalen
       Aktivitäten viel Geld verdienen. Das meiste müssen sie für Anwälte ausgeben
       oder für die Bestechung von Richtern. Im Grunde bleiben sie arm. Ich habe
       ein Konzept vorgeschlagen, das sich kommunitäre Sicherheit nennt. Die
       Jugendlichen sollen in den eigenen Bezirken für die Sicherheit sorgen: für
       Geld. Heute sorgen sie für Unsicherheit.
       
       Spielt auch die Polizei mit und nimmt nicht mehr routinemäßig alle jungen
       Männer mit Tätowierung fest? 
       
       Das ist ein Problem. Die Polizei und vor allem einige ihrer Kommandanten
       nützen die Situation und veranstalten große Razzien. Das schadet uns, weil
       die Geste guten Willens mit Repression beantwortet wird.
       
       11 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
 (DIR) El Salvador
       
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