# taz.de -- Schluss mit Jammern an der Ruhr: Kraft durch NRW
       
       > Die Zahlen stimmen zwar nicht, aber ihr Fußball ist gut. Und die Politik
       > auch. Das einstige Rost- und Kohlenland ist plötzlich hip: Die Freude ist
       > nach NRW gezogen.
       
 (IMG) Bild: BVB-Fans und Kraft – NRW eben.
       
       Was für eine Party! Hunderttausende feiern in Dortmund einen Klub, der die
       Alleinherrschaft des FC Bayern München über den deutschen Fußball innerhalb
       von nur zwei Jahren beendet hat – und ein Großteil des Landes freut sich
       mit. Die Wähler im Bundesland, in dem der neue deutsche Fußball erfunden
       wurde, sorgen am selben Tag für klare Verhältnisse, machen eine brave Frau
       zur Landessupermutti, weisen der FDP den Weg zurück zum Spaß und lassen die
       Piraten in ihrer Nische jubeln, ohne dass irgendjemand den Eindruck haben
       muss, sie würden etwas kaputtmachen. Und Norbert Röttgen? Der zählt nicht,
       er ist ein Berliner. Es hat sich etwas verändert in Deutschland. Die Freude
       ist nach NRW gezogen.
       
       Es ist noch kein halbes Jahr her, da wurde gejammert im Ruhrgebiet. Aus
       armen und bröselnden Kommunen kam die Forderung nach der Umwidmung des
       Solidaritätszuschlags. Nach einem Aufschwung West wurde gerufen und der FC
       Bayern führte die Tabelle in der Fußball-Bundesliga an. Das Dortmunder
       Fußballfieber, das in der Meistersaison 2010/2011 ausgebrochen war, schien
       abzuklingen. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp erfand ein merkwürdiges Wort:
       Ergebniskrise. Seine Botschaft war einfach: Zugegeben, die Zahlen stimmen
       nicht, aber wir wissen dennoch, dass wir auf den richtigen Weg sind – unser
       Fußball ist gut. Wer seine jungen Männer kicken sah, wusste, dass Klopp
       Recht hatte.
       
       Besonders gut waren auch die Zahlen nicht, die Hannelore Kraft in ihrem
       rot-grünen Minderheitenhaushalt stehen hatte. Doch auch ihre Botschaft ist
       angekommen: Unsere Politik ist trotzdem gut. Viele haben ihr das
       abgenommen. Gejammert wird längst nicht mehr in NRW.
       
       Stattdessen blühen Fantasien. Die Menschen träumen von Freude ohne Ende und
       sehen schon einen dauerhaften Zweikampf zwischen Dortmund und Bayern um die
       Spitze des Fußballs in Deutschland. Wie in Spanien könnte es werden. Für
       den Klub aus München ist in diesen Träumen die Rolle als das deutsche Real
       Madrid reserviert, die Borussen sollen, auch weil sie sich zu Recht
       moderner fühlen, zum FC Barcelona aus dem Pott werden. Das Finale vom
       Samstag, in dem der BVB den FCB gedemütigt hat, war vor dem Spiel als
       deutscher El Clásico bezeichnet worden. Wunschdenken steht hinter diesen
       Hispanismus.
       
       ## Feiste SPD-Mannsbilder
       
       Weil neben dem sportlichen Wettbewerb auch immer ein ökonomischer
       Wettstreit ausgetragen wird, ein Kampf um Sponsorenmillionen und
       Transferrechte, fühlen sich die Dortmunder – auch das zu Recht – als
       Underdog. Die FC Bayern AG, gepäppelt von den Anteilseignern Audi und
       Adidas, ist der börsennotierten Borussen-AG da noch meilenweit voraus. Doch
       es gibt den Glauben, dass sich das ändern könnte.
       
       Den Glauben an Erneuerung, den hat auch Hannelore Kraft am Wahlabend
       ausgestrahlt. Auch wenn sie es nicht schaffen wird, an den feisten
       SPD-Mannsbildern vorbeizuziehen, ist das Wort Kanzlerkandidatin erstaunlich
       oft gefallen an diesem Wahlsonntag. Plötzlich muss Angela Merkel um den
       Titel als stärkste Frau der Republik bangen.
       
       Die Hoffnung auf einen Wechsel im Land, sie ist in diesen Tagen in NRW zu
       Hause. Die wohlgenährten Bayern, Kicker wie Politiker, müssen vor Neid
       erblassen angesichts dessen, was da von Rhein und Ruhr auf sie zukommt. Die
       zwei deutschen Fußballtitel, die es gibt, gehören dem Pott, und der nächste
       Kanzler kommt gewiss nicht aus Bayern.
       
       14 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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