# taz.de -- Erfolg der Piraten in NRW: Ein bisschen „Chili“ im Landtag
       
       > Piraten im vierten Landesparlament: Spitzenkandidat Paul verspricht, dass
       > die Partei bald auch im Bundestag vertreten sein wird. Und DJ Dosenbier
       > übernimmt.
       
 (IMG) Bild: Die Piraten hoffen, dass der Einzug in Düsseldorf auch das Ticket nach Berlin bedeutet.
       
       DÜSSELDORF taz | Es ist ein bisschen wie beim Pokalsieger Dortmund, nur
       eben orange statt gelb-schwarz: Mit frenetischem Jubel hatten die Piraten
       im Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk schon die Prognose zur Landtagswahl 2012
       begrüßt. Danach heißt der Favorit der Wahlparty-BesucherInnen klar ZDF,
       denn dessen Hochrechnungen sehen die Partei im Gegensatz zur ARD konsequent
       über 8 Prozent.
       
       Doch egal ob es am Ende 7,6 (ARD) oder 8,1 Prozent (ZDF) werden – im
       Vergleich zum Wahlergebnis 2010 fühlen sich die Piraten wie der eigentliche
       Sieger der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland. „Wir haben heute
       Geschichte geschrieben“, ruft NRW-Piratenvorsitzender Michele Marsching den
       rund 300 Piraten – Piratinnen sind immerhin mehrerer Dutzend darunter – im
       Zakk zu. Und die feiern sich und ihre Kandidaten betont locker – manche
       scheinen mehr mit der FDP als mit dem eigenen Abschneiden beschäftigt zu
       sein. Als Phoenix um kurz vor sechs zur FDP schaltet, ist das Gebuhe fast
       lauter als der Jubel beim eigenen Ergebnis.
       
       Das, sagt Hanns-Jörg Rohwedder, liegt am „abgestumpften Sozialdarwinismus“
       der Wirtschaftsliberalen – und erklärt auch die üppige Zahl ehemaliger
       FDP-WählerInnen, die nun bei den Piraten gelandet sind. Doch Rohwedder, der
       einst in Schleswig-Holstein den Landesverband der Grünen mitgründete und
       der nun für die Piraten in den NRW-Landtag einzieht, ist wie alle
       Kandidaten von einer sehr bunten Truppe gewählt worden: Nach ersten
       Analysen gaben alle Parteien im fünfstelligen Bereich zwischen jeweils
       60.000 und 80.000 Stimmen in NRW an die Piraten ab. „Die Blöcke weichen
       auf, das Rechts-Links-Schema haut nicht mehr hin“, sagt Rohwedder, der sich
       für seine Partei künftig um Energie- und Umweltthemen kümmern wird.
       
       Was dafür überzeugt, das sagt denn auch NRW-Oberpirat Michele Marsching in
       seiner kurzen Ansprache gleich zu Beginn, sei eben die Vision vom
       „aufgeklärten, selbstbestimmten Menschen“, für die die Piraten stünden. Auf
       konkrete NRW-Politik gemünzt fällt ihm dazu allerdings wenig mehr als „mehr
       Mitbestimmung und mehr Verbraucherschutz“ ein. Doch allen ist an diesem
       milden Frühsommerabend klar, dass da mehr kommen muss – und mehr kommen
       wird. Wobei sich die Basis vom Herumreiten anderen Parteien und vieler
       Medien auf der angeblichen Einthemenpartei, „die aus dem Internet kommt“,
       sichtlich genervt zeigt.
       
       Auch Benjamin Ruba, wie Rohwedder Parteimitglied seit 2009, kann das nicht
       mehr hören. Schließlich hätten die Piraten „das ausführlichste Wahlprogramm
       aller Parteien“, sagt Ruba, „wobei ich zugeben muss, ich hab auch nicht
       alles gelesen.“ Mittendrin steht in Düsseldorf auch Rick Falkvinge, der
       Urpirat, Gründer der schwedischen Piratenpartei. Für ihn ist mit der
       NRW-Wahl der „Tipping-Point erreicht“, weil nun das größte Bundesland in
       Deutschland erobert ist – und Deutschland spielt eine Schlüsselrolle in
       Europa“.
       
       Für Falkvinge sind die Piraten ohnehin eine internationale Bewegung - „es
       geht weniger um traditionelle Parteipolitik, als einen gemeinsamen
       Lebensstil“, sagt der Schwede, der sich selbstironisch als politischen
       Evangelisten bezeichnet. Deshalb gebe es in Wirklichkeit auch keinen großen
       Dissens mit den Grünen, bestätigen Chris Dimmer und Marcel Normann, die als
       Direktkandidaten der Piraten im Ennepe-Ruhr-Kreis zwar mandatsmäßig leer
       ausgingen, aber den Kontakt zum Menschen auf der Straße spannend fanden –
       und mit der Grünen Konkurrenz auf bestem Fuße standen.
       
       „Garantiert keine politischen Grabenkämpfe“ ist denn auch die Parole für
       die Piraten im NRW-Landtag: „Wir machen keine Politik gegen andere
       Parteien, wir machen Politik mit anderen Menschen“, sagt Landeschef
       Marsching – und dass man eines bei allem Respekt vor den jetzt anstehenden
       parlamentarischen Prozessen nicht über Bord werfen dürfe: „Politik muss
       Spaß machen“.
       
       ## Danke, danke, danke
       
       Dass die Piraten die neue Spaßpartei sein könnten, sammelt
       NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul gleich danach wieder ein – und dankt ganz
       bescheiden erst einmal den ehrenamtlichen WahlhelferInnen in den
       Wahllokalen im Land: „Ohne Euch fände Demokratie nicht statt“ und die 300
       im Saal skandieren „Danke, Danke Danke“. Programmatisch wird Paul in seiner
       Kurzrede kaum, ein paar Bemerkungen zum Internet müssen reichen: „Wer immer
       noch glaubt, es ist besser, Menschen im Netz statt die internationalen
       Finanzströme zu kontrollieren, ist schief gewickelt“, sagt Paul. Und dann
       wird in den Landtag am Rheinufer gefahren.
       
       Der Wähler habe eben ein bisschen „Chili“ in den Landtag gewählt. Den
       Vorwurf, dass die Piraten bestenfalls ein paar bundespolitische Themen,
       aber kaum Durchblick auf Landesebene hätte, lässt Paul nicht gelten: „Viele
       von uns kommen aus dem öffentlichen Dienst in NRW. Da haben wir tiefste
       Einblicke“ und meint: mehr als uns manchmal lieb ist. Die Politik in und
       für NRW sei jedenfalls nicht das Problem, eher, „dass wir unsere
       Parteiarbeit besser strukturieren und fähig bleiben, all das mit der Basis
       zu verschalten“. Denn eine richtige „Schonfrist“, da ist Paul sich sicher,
       bekommen die Piraten nach dem Einzug in ihren mittlerweile vierten Landtag
       nicht.
       
       Das wäre bei dem Erfolg auch merkwürdig: Um kurz vor fünf Uhr hatte die
       Ansage „die Listenkandidaten auf den Plätzen 1 bis 20 bitte sofort in den
       Besprechungsraum rechts da oben“ vielleicht noch arg optimistisch
       geklungen. Gleich nach der „Tagesschau“ standen aber 18 von ihnen als
       voraussichtlich gewählte neue Abgeordnete auf der Bühne. „Die WählerInnen
       haben bestellt, ab morgen wird geliefert“, ruft Paul in die Menge - „und ab
       morgen ist auch der Bundestag dran“.
       
       Vorher gibt’s aber Party, und weil der Pirat an sich von der üblichen
       „Wahlberichtsbestattung“ nichts hält, wird der gleich danach der Saft
       abgedreht – und DJ Dosenbier übernimmt.
       
       Anmerkung der Redaktion: Zunächst war im Text von „Schimmi“ – was
       eigentlich auch hübsch gewesen wäre – und nicht von „Chili“ die Rede. Im
       lauten Jubel in der Halle hatte unser Autor das falsch verstanden, wir
       bitten um Entschuldigung.
       
       13 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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