# taz.de -- Zehn Jahre Tierschutz im Grundgesetz: Ferkelkastration und Laboraffen
       
       > Der Schutz der Tiere in Deutschland hat seit 2002 Verfassungsrang. Die
       > Jubiläumsbilanzen fallen mehrheitlich sehr kritisch aus, denn die
       > Wirklichkeit entspricht selten der Gesetzeslage.
       
 (IMG) Bild: Geteiltes Leid, halbes Leid?
       
       BERLIN dpa | Seit zehn Jahren genießt das Wohlergehen der Tiere als
       Staatsziel in der Verfassung höchsten juristischen Schutz. Am 17. Mai 2002
       beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit, Artikel 20a des Grundgesetzes
       um drei Worte zu ergänzen. Der Staat schützt die natürlichen
       Lebensgrundlagen "„und die Tiere“.
       
       Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Tierschützer kritisieren, dass noch
       immer Millionen Geschöpfe in Deutschland leiden. Es gibt nach wie vor
       Ställe mit Tausenden Legehennen, Ratten als Versuchsmaterial für die
       Forschung sowie Elefanten und Löwen im Zirkus. Längst sind Verbraucher,
       Politiker, Landwirte und Wissenschaftler für das Thema sensibilisiert. Doch
       Tierfreunden reicht das nicht aus, denn vor allem beim Lebensmitteleinkauf
       bleibt der Preis das schlagende Argument.
       
       Bis zum in Kraft treten der Verfassungsänderung am 1. August 2002 galten
       Regelungen im Tierschutzgesetz leicht als nachrangig, wenn ihnen andere
       Grundrechte entgegenstanden - etwa die Freiheit der Wissenschaft, der
       Kunst, des Berufes oder der Religion. In den Augen von Ilse Aigner (CSU),
       Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hat
       inzwischen ein gesellschaftliches Umdenken eingesetzt. „Heute ist das
       Tierwohl eine wichtige Messlatte für ethisches Handeln und wirtschaftliche
       Entscheidungen.“
       
       Im jüngsten Tierschutzbericht von 2011 listete die Regierung eine Reihe
       nationaler und europäischer Verbesserungen in den vergangenen Jahren auf -
       vom EU-Einfuhrbann für Hunde- und Katzenfelle bis zum Verbot herkömmlicher
       Legebatterien für Hennen, mit dem Deutschland 2010 Vorreiter war.
       
       ## Aigner hat ihre Meinung exklusiv
       
       Die Tierschützer teilen die Ansichten der Ministerin nicht und sehen wenig
       Grund zum Feiern. An der realen Situation der Tiere habe sich zehn Jahre
       nach der Ausrufung des Staatsziels praktisch nichts geändert, lautet das
       Fazit des [1][Deutschen Tierschutzbunds]. Zum Beispiel sollten Ferkel noch
       viel zu lange ohne Betäubung kastriert werden dürfen.
       
       Jedes Jahr würden nach wie vor Millionen Tiere in Transportern stundenlang
       über die Straßen Europas gekarrt. „Bestehende gesetzliche Regelungen werden
       einfach nicht eingehalten“, beklagte auch die Linke im Bundestag. So würden
       täglich Tausende männliche Küken wegen ihres Geschlechts gleich nach der
       Geburt getötet, weil sie keine Eier legen.
       
       „Der Unterschied zwischen Anspruch des Grundgesetzes und Wirklichkeit im
       Tierschutzgesetz ist eklatant“, monierte der Präsident des Tierschutzbunds,
       Thomas Schröder. Das Staatsziel mit Leben zu erfüllen, mahnt auch die SPD
       an und sieht vor allem bei Nutztieren Handlungsbedarf. Aigner bereitet
       derzeit eine Reform des Tierschutzgesetzes mit zahlreichen Neuregelungen
       für Nutzvieh und Haustiere vor, die in diesem Jahr in Kraft treten soll.
       Tierschützern gehen die meisten Pläne aber nicht weit genug.
       
       Als Lichtblick werten Kritiker das geplante Aus für Brandzeichen, mit denen
       Pferde am Schenkel markiert werden. Ein Ende haben soll auch das
       Ferkel-Kastrieren ohne Betäubung - allerdings erst 2017. Um qualvollen
       Züchtungen einen Riegel vorzuschieben, sollen zum Beispiel bizarr
       kleinwüchsige oder haarlose Hunde nicht mehr bei Ausstellungen gezeigt
       werden dürfen.
       
       ## Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes
       
       Darüber hinaus könnte ein Verbot bestimmter Wildtierarten im Zirkus kommen,
       die unter den ständigen Transporten besonders leiden. Daneben hat Aigner
       strengere Vorschriften für die gewerbsmäßige Kaninchenzucht und den
       ausufernden Antibiotikaeinsatz in der Tiermast angekündigt.
       
       Wege zu mehr Tierschutz sucht auch die Wissenschaft, die wegen umstrittener
       Massenversuche am Pranger steht. Während Tests für die Herstellung von
       Kosmetika seit 2009 prinzipiell verboten sind, wurden für medizinische
       Versuche zuletzt sogar mehr Tiere „verbraucht“. 2010 waren es rund 2,8
       Millionen, 80 Prozent davon Ratten und Mäuse.
       
       Aigner plant ein „fast vollständiges Verbot“ von Menschenaffen in den
       Labors. Forscher wie etwa an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
       arbeiten derweil an Alternativmethoden. Ob ein Medikament giftig ist, soll
       sich möglichst immer öfter im Reagenzglas zeigen.
       
       16 May 2012
       
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 (DIR) [1] http://www.tierschutzbund.de/
       
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