# taz.de -- Pharma-Tests: Die Versuche mit der Maus
       
       > Der Pharma-Konzern Merz lässt in Hamburg Medikamente an Tieren testen.
       > Ärzte haben 60.000 Unterschriften gegen eine neue Genehmigung gesammelt.
       
 (IMG) Bild: Unter anderem für die Anti-Falten-Forschung: Labormäuse müssen in Hamburg qualvoll ersticken.
       
       HAMBURG taz | Das Nervengift wird in die Bauchhöhle der Maus injiziert.
       Kaum hat der Kolben die Flüssigkeit aus der Spritze in das Tier gedrückt,
       setzt die Wirkung ein. Langsam aber sicher. Das Gift lähmt nach und nach
       die Muskeln. In den nächsten Tagen wird die Maus qualvoll ersticken. Bei
       dem Nervengift handelt es sich um Botulinumtaxin – besser bekannt unter dem
       Markennamen Botox. Botulinumtoxin wird zwar im neurologischen und im
       kosmetischen Bereich – als Anti-Falten-Mittel – verwendet, ist aber
       hochgiftig.
       
       Jährlich sterben rund 600.000 Mäuse weltweit in Versuchslabors, so der
       Verein Ärzte gegen Tierversuche, 34.000 davon im Laboratory of Pharmacology
       and Toxicology (LPT) in Hamburg-Neugraben. Die engagierten Mediziner haben
       lange genug zugeschaut. Heute übergeben sie der Staatsrätin Elke Badde
       (SPD) von der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz 60.000
       Unterschriften. So viele Menschen haben unterschrieben, um die Tierversuche
       zu stoppen.
       
       „Das Tierschutzgesetz ist auf unserer Seite“, sagt Corina Gericke,
       „wenigstens in der Theorie.“ Die Tierärztin ist die zweite Vorsitzende des
       Vereins Ärzte gegen Tierversuche. Das Gesetz verbietet Tierversuche, wenn
       der verfolgte Zweck auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann. Lange
       Zeit gab es solche anderen Mittel nicht. „Inzwischen kann aber die richtige
       Dosis für das jeweilige Produkt auch ohne Tierversuche ermittelt werden“,
       erklärt Gericke. Der amerikanische Botox-Erfinder Allergan hat eine Methode
       entwickelt, um das Produkt durch Zellenanalyse zu testen. Ganz ohne tote
       Mäuse. Die ist seit Anfang 2012 auch auf dem deutschen Markt zugelassen.
       Die zuständige Behörde für Verbraucherschutz hat allerdings noch nicht
       reagiert. Mit der Unterschriften-Aktion wolle sie Bewusstsein schaffen,
       sagt Gericke. „Wir wollen Druck auf die Behörden ausüben.“
       
       Der Frankfurter Pharma-Konzern Merz Pharma GmbH ist für die toten Mäuse in
       Hamburg-Neugraben verantwortlich. Das Tierversuchslabor LPT ist nur ein
       Dienstleister. Merz testet eine Version von Botox – Xeomin – an Tieren seit
       2001. Vier Jahre bevor das Produkt auf den Markt kam. „Wir mussten schon
       vorher mit den Tests beginnen, um überhaupt eine Zulassung zu bekommen“,
       sagt Ute Weinhold, eine Mitarbeiterin des Unternehmens. Sie beglückwünscht
       den Konkurrenten Allergan zur neuen Methode. „Aber das lässt sich nicht
       ohne Weiteres auf unser Produkt übertragen“, sagt Weinhold. Merz forsche
       selber schon seit Jahren an neuen Methoden, um Tierversuche zu vermeiden.
       „Es ist absurd zu denken, wir würden dahingehend nichts unternehmen.“ Viel
       Zeit und Geld habe das Unternehmen in den so genannten Zwerchfell-Test
       investiert. „Der ist schlussendlich aber vor der Zulassung gescheitert“,
       sagt Weinhold. Bei diesem Test wird das Produkt am Zwerchfell einer toten
       Maus getestet. Dann werden die Tiere gleich getötet und müssen nicht
       tagelang ersticken. „Allergan ist ein Firmengigant. Wir sind nur ein
       mittelständisches Unternehmen“, wirbt Weinhold um Verständnis. Man versuche
       ja schon alles, um die Tierversuche abzustellen. Wie lange das noch dauern
       wird, weiß sie nicht.
       
       Corina Gericke ist das nicht genug. Das Unternehmen mache einen
       „wahnsinnigen Umsatz“, sagt Gericke. „Wenn die mal ein paar Prozent in die
       Forschung für neue Methoden stecken würden, wäre bald eine neue Lösung da.“
       
       Wenn Merz den Test verändert, braucht das Unternehmen eine neue Zulassung
       durch die Bundesbehörde für Arzneimittel und Medikamente (BfArM). Das
       Unternehmen muss nachweisen, dass das Produkt dieselbe Qualität, Sicherheit
       und Wirkung hat. Das wird bei der BfArM getestet. Fällt der Test negativ
       auf, ist das Produkt für den deutschen Markt untauglich – ein Risiko für
       den Hersteller.
       
       Die Ärzte gegen Tierversuche stehen in Kontakt mit dem Pharma-Unternehmen –
       bislang erfolglos. „Merz hat doch jetzt eine super Vorlage und es passiert
       immer noch nichts“, sagt Gericke. Deshalb wendet sich der Verein jetzt an
       die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Die vergibt die Lizenzen
       für Tierversuche. Eine Lizenz gilt für drei Jahre. Wenn eine neue Methode
       mit demselben Ergebnis auch ohne Tierversuche auskommt, darf die Behörde
       keine neue Genehmigung erteilen.
       
       Die Hamburger Gesundheitsbehörde wollte sich gestern auf Anfrage der taz
       nicht dazu äußern, ob sie die Mäuseversuche weiterhin genehmigen wird.
       
       12 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timo Robben
       
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