# taz.de -- Alexis Tsipras in Berlin: Bloß nicht radikal wirken
       
       > Der Spitzenkandidat der radikalen Linken wendet sich in Berlin gegen den
       > harten Sparkurs und setzt auf „Freundschaft“. Er will im Euro bleiben und
       > keinesfalls zur Drachme zurück.
       
 (IMG) Bild: Nur einer lacht: Klaus Ernst, Alexis Tsipras und Gregor Gysi (von links) am Dienstag in Berlin.
       
       BERLIN taz | Bloß keinen Fehler machen, bloß nicht radikal wirken. Dies
       schien das oberste Motto von Alexis Tsipras zu sein, als er am Dienstag in
       Berlin vor die Presse trat. Er wolle die anderen Eurostaaten „überzeugen,
       nicht erpressen“, wiederholte der Grieche gleich mehrmals. Es sei „im
       eigenen Interesse“ aller Europäer, den Griechen frisches Geld zu geben und
       auf einen harten Sparkurs zu verzichten.
       
       Tsipras ist der Spitzenkandidat der radikalen Linken in Griechenland und
       dürfte der nächste Wahlsieger sein. Laut Umfragen wird er zwischen 22 und
       25 Prozent erhalten. Die Griechen wählen am 17. Juni erneut, weil nach der
       ersten Wahl am 6. Mai keine Koalition zustande kam.
       
       Der 37-jährige Tsipras war von der Linkspartei nach Berlin eingeladen
       worden. Am Montag hatte er bereits in Paris den linken
       Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon getroffen. In diesen „beiden
       wichtigsten Hauptstädten Europas“ wollte Tsipras seine „Botschaft der
       Freundschaft“ verbreiten: Die Sparprogramme seien „völlig ineffizient“. Die
       deutschen Steuerzahler würden ihr Geld nur „in ein Fass ohne Boden“ werfen.
       Da sei es doch besser, in das griechische Wachstum zu investieren. Dann
       könnte Griechenland auch seine Schulden zurückzahlen.
       
       Diese Argumentation stößt bei den europäischen Regierungen bisher auf
       keinerlei Gegenliebe. Auf dem G-8-Gipfel am vergangenen Wochenende wurde
       erneut klargestellt, dass man die Griechen zwar im Euro halten wolle – wenn
       sie die vereinbarten Sparauflagen erfüllen.
       
       Auch Tsipras will im Euro bleiben und keinesfalls zur Drachme zurück.
       Schließlich zeigen alle Umfragen, dass 80 Prozent der Griechen den Euro
       behalten wollen. Doch glaubt Tsipras eben nicht, dass die Europäer die
       Griechen tatsächlich aus dem Euro werfen werden. „Die Eurozone hat keinen
       Besitzer, Eigentümer oder Vermieter. Wir sind gleichberechtigte Partner.“
       Damit spielte er auf das rechtliche Problem an, dass ein Austritt aus der
       Eurozone nicht vorgesehen ist.
       
       Zudem verlässt sich Tsipras darauf, dass die Europäer die
       „Ansteckungsgefahr“ fürchten, falls Griechenland aus dem Euro gezwungen
       wird. „Wenn der griechische Patient nicht therapiert werden kann, dann
       verbreitet sich die Krankheit in ganz Europa.“
       
       ## „Unsere Krise“
       
       Süffisant verwies Tsipras darauf, dass Italien ja schließlich
       Staatsschulden in Höhe von 2 Billionen Euro habe. Was er nicht sagte, sich
       aber jeder denken sollte: Für diese Summe reicht kein Rettungsschirm.
       Europa ist auf die Griechen angewiesen, davon ist Tsipras fest überzeugt,
       der daher konsequent auch stets von „unserer Krise“ sprach.
       
       Nur auf Nachfrage räumte Tsipras ein, dass in Griechenland auch Reformen
       nötig sind. Kurz streifte er Stichworte wie „aufgeblähte
       Schattenwirtschaft“ und „Bekämpfung der Steuerhinterziehung“ – um dann
       wieder auf sein Hauptthema zu kommen. „Die Reformen können nicht
       vorangetrieben werden, wenn wir nicht gleichzeitig den freien Fall der
       Wirtschaft stoppen.“
       
       Der linke Parteichef Klaus Ernst freute sich sichtlich, einmal nicht nur
       über den eigenen Niedergang reden zu müssen – sondern stattdessen einen
       Wahlsieger zu Gast zu haben. „Dies ist ein Zeichen, dass linke Parteien
       auch Erfolg haben können.“
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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