# taz.de -- Kommentar Schuldenkrise Spanien: Alles falsch gemacht
       
       > Die EU ist für die Krise mitverantwortlich, doch sie legt die Hände in
       > den Schoß. Und Spanien ist kein Land, das man zur Not noch stützen kann.
       > Dafür reichen die Rettungsmilliarden nicht.
       
 (IMG) Bild: Wohl keine Lösung für die Gesamtwirtschaft: Wie hier in Mailand die Glücksmünzen aus Brunnen sammeln.
       
       Spanien steht auf der Kippe, und die EU schaut zu. Zwar ist schon seit
       Wochen bekannt, dass die viertgrößte Volkswirtschaft Europas den vierfachen
       Titanenkampf gegen Immobilienkrise, Bankenkrise, Schuldenkrise und
       Rezession unmöglich allein gewinnen kann – von der galoppierenden
       Arbeitslosigkeit ganz zu schweigen. Doch niemand will helfen.
       
       Gewiss, die EU-Kommission hat nun die Streckung des spanischen
       Sparprogramms angekündigt. Statt wie geplant 2013 muss die Regierung in
       Madrid das Budgetdefizit erst 2014 unter die von der EU erlaubte
       Drei-Prozent-Marke drücken. Doch das ist keine Hilfe, das ist späte
       Einsicht in die Notwendigkeit. Im kommenden Jahr hätte es Madrid nie und
       nimmer geschafft.
       
       Auch 2014 wird es nicht gelingen. Da kann der konservative Regierungschef
       Rajoy noch so viele Spar-Gelübde ablegen: Er hat sich längst im
       Teufelskreis aus Budgetkürzungen, Bankenstützung und neuen Kürzungen
       verstrickt. Allein die kürzlich verstaatlichte spanische Großbank Bankia
       braucht 19 Milliarden Euro frisches Kapital. Wenn der Staat dafür aufkommen
       muss, sind alle schönen Pläne innerhalb kürzester Zeit Makulatur.
       
       Noch ist es nicht soweit. Noch gäbe es die Möglichkeit, Bankia und andere
       strauchelnde spanische Geldinstitute durch die Europäische Zentralbank oder
       den Euro-Rettungsfonds ESM unter die Arme zu greifen. Doch die EZB sträubt
       sich; nach einem Bericht der Financial Times hat sie entsprechende
       Überlegungen der Madrider Regierung zurückgewiesen.
       
       Und gegen Direkthilfen aus dem ESM wehrt sich die Bundesregierung. Sie will
       verhindern, dass deutsches Steuergeld zur Stützung maroder Banken im
       Ausland genutzt wird. Bisher können den Rettungsschirm nur Eurostaaten
       anzapfen, und das auch nur unter drastischen Auflagen – wie in
       Griechenland. Kanzlerin Merkel möchte, dass dies auch in Zukunft gilt.
       Damit verdammt sie Spanien zu einem ähnlichen Schicksal wie Irland und
       Griechenland. Schon jetzt verschärfen die Sparauflagen die Rezession in
       Madrid – genau wie in Athen. Wenn die spanische Regierung nun auch noch
       Milliarden für ihre Banken locker machen muss, wird es nicht mehr lange
       dauern, bis sie sich unter den Euro-Rettungsschirm flüchten muss – genau
       wie Dublin vor zwei Jahren.
       
       Letztlich hat die EU-Politik in Spanien alles falsch gemacht. Sie hat es
       zugelassen, dass sich aus einer Immobilienblase, die nicht zuletzt mit
       deutschem Kapital angeheizt wurde, eine Immobilienkrise und dann eine
       Bankenkrise entwickelt hat. Sie hat es zugelassen, dass massiv gegen
       Spanien spekuliert wurde, so dass die Kreditbeschaffung für den Staat immer
       teurer wurde und das einstig vorbildlich niedrige Budgetdefizit in die Höhe
       schoss. Dann verordnete sie Madrid auch noch einen rigorosen Sparkurs, der
       die Konjunktur abgewürgt hat und direkt in die Rezession führte.
       
       Doch während Griechenland und Irland kleine Länder sind, die man zur Not
       noch stützen kann, wird es in Spanien eng. Die Rettungsmilliarden im ESM
       werden kaum reichen, um auch noch Spanien herauszuhauen. Die EU muss ihre
       Politik daher dringend ändern. Beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni könnte es
       schon zu spät sein.
       
       31 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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