# taz.de -- Sonderhefte zur Fußball-EM: Keine toreschießende Wollmilchsau
       
       > Schwarzbrot-Qualität vom „kicker“, bunte Gimmicks beim Testsieger „11
       > Freunde“ – die Bandbreite der EM-Sonderhefte ist groß. Das perfekte Heft
       > ist nicht dabei.
       
 (IMG) Bild: Mit im Test: Die EM-Ausgaben von „kicker“, „11 Freunde“ und „ballesterer“.
       
       Man muss sich das wohl so vorstellen: Irgendwo in Nürnberg sitzt in einem
       alten Bunker, vielleicht unter dem Reichsparteitagsgelände, die
       kicker-Redaktion, mit der Außenwelt nur mittels eines Telegrafen verbunden.
       
       Draußen dreht sich die Welt weiter, einflussreiche Magazindynastien werden
       gegründet und zerfallen wieder zu Staub, Fußball und Feuilleton nähern sich
       einander an, 11 Freunde revolutioniert die Bildsprache des deutschen
       Fußballjournalismus. Und der kicker bringt halt ein Sonderheft zur
       Fußball-Europameisterchaft raus, das exakt so aussieht wie immer: gleiches
       Layout, gleiche Fotos, gleiche Inhalte.
       
       Erst kommen detaillierte Texte zum deutschen Team inklusive Hotelporträt
       und Interviews mit Alt-Europameistern. Anschließend werden die restlichen
       15 Mannschaften vorgestellt. Mit Texten zu Stärken, Schwächen und
       Wunschaufstellung, sehr sachlich und souverän, wenngleich ohne den totalen
       taktischen Tiefgang, sowie mit Mannschaftsfoto, ungefährem Kader (wie in
       allen Heften lag der Redaktionsschluss vor der Nominierungsfrist) und – das
       allerdings ist als Handreichung ein echtes Plus – kurzen Steckbriefen aller
       Spieler. Am Ende folgen noch unfassbar detaillierte Statistiken zur
       deutschen EM-Historie.
       
       Auch sprachlich finden sich noch viele Reste aus der verblassenden Zeit des
       Bratwurstjournalismus: Da geht die Post ab, da werden Sachen wie aus dem
       Eff-eff gekannt, da gibt es Trainerfüchse und robuste Kerle. Nein, man wird
       beim kicker nicht ästhetisch umschmeichelt. Aber wer eine umfassende,
       seriöse und ironiefreie Vorbereitung auf die EM sucht, kann bedenkenlos
       zugreifen. Achso: irgendwo verstecken sich auch tatsächlich zwei Gimmicks –
       die ewige Stecktabelle und eine furchtbar unlustige Kolumne von Django
       Asül.
       
       „The icing on the cake“ nennt man im Englischen solche veredelnden
       Glitzi-Elemente, die nicht lebensnotwendig sind, für die man sich aber ein
       wenig Zeit und Liebe nehmen sollte. Und der kicker gleicht nunmal einem
       nahrhaften Kuchentrumm, auf den sich ein paar Puderzuckermoleküle verirrt
       haben – während umgekehrt die EM-Ausgabe von 11 Freunde ein
       millimeterdünner Tortenboden ist, auf dem mehrere Kubikmeter Glasur
       thronen.
       
       ## Splitter, Bonbons, Klein- und Kleinstrubriken
       
       Unzählige Splitter, Bonbons, Klein- und Kleinstrubriken ziehen sich durch
       das Heft, darunter viel Fiktives, das meiste lustig, manches eher nicht.
       Gleichzeitig wird gar nicht erst versucht, alle wichtigen Informationen
       abzubilden oder alle Teams vorzustellen, auch das beiliegende Miniheft mit
       den Spielerkadern erfüllt nur eine Alibi-Funktion. Die 11 Freunde müssen
       aufpassen, dass sie sich in ihrer Pose der ironischen Brechung nicht
       irgendwann komplett verheddern. Auch bei ihren Live-Tickern im Internet ist
       der Klamaukanteil mitunter nur noch schwer ertragbar.
       
       Abgesehen davon machen sie aber, was sie am besten können: Jeder Turniertag
       wird zum Anlass für eine hintergründige Geschichte oder eine Bildidee
       genommen. Seien es Gruppenfotogalerien von polnischen Hooligans mit nackten
       Muskeloberkörpern, eine grandiose Analyse des Fußballsongs „Three Lions“
       oder ein Interview, in dem Dänemarks Ex-Nationaltorwart Peter Schmeichel
       mit dem Big-Mac-Mythos vom EM-Sieg 1992 aufräumt – journalistisch und
       gestalterisch ist das 11-Freunde-Heft mit Abstand das beste im Feld.
       
       Eine Synthese zwischen beiden Philosophien versucht der österreichische
       ballesterer, der einen ähnlich kritischen Fankultur- und Lebenswelt-Ansatz
       wie 11 Freunde vertritt. Nach dem klassischen kleinteiligen
       Magazin-Einstieg hat das Heft eine klare Struktur, jede Mannschaft wird mit
       einem doppelseitigen Text versehen, nur die Gastgeber Polen und Ukraine
       haben richtig lange Stücke bekommen.
       
       Über die Details der Transformation des griechischen 4-2-3-1 in ein 4-5-1
       beim Gegenpressing erfährt man hier zwar nichts, als geschmeidiger Einstieg
       ins Turnier aber funktioniert es gut. Und als Bonus gibt es die leicht
       verschobene Nachbarland-Perspektive und einige schöne Austriazismen.
       
       ## Viel Schland-Content bei Sport-Bild
       
       Mit im Rennen ist natürlich auch die Sport-Bild. Sie informiert ähnlich
       umfassend wie der kicker, mit vielen Statistiken und viel Schland-Content.
       Das Layout ist vielseitiger, dafür mit Werbung vollgekleistert, die
       Teamporträts sind fluffiger geschrieben, dafür taktisch bei weitem nicht so
       fundiert. Wer es schnell und leicht verdaulich mag – oder ein besonderes
       Interesse an den Social-Media-Aktivitäten der EM-Stars hat – dürfte das
       Sport-Bild- dem kicker-Sonderheft vorziehen.
       
       Das EM-Heft und zugleich die Erstausgabe des neuen, von Egmont Ehapa (Micky
       Maus) verlegten Magazins Goal dem Rest vorziehen sollte hingegen nur, wer
       ein Cristiano-Ronaldo-Poster haben will. Ansonsten stimmt hier praktisch
       nichts, von der kaum lesbaren Schrift und der hölzernen Sprache über den
       mangelnden taktischen Tiefgang und das wirre (aber sehr bunte!) Layout bis
       hin zur offenbar nicht vorhandenden Schlusskorrektur.
       
       Echten Fußball-Nerds oder Menschen, die es werden wollen, sei schließlich
       die nur als E-Book veröffentliche EM-Vorschau des Blogs
       [1][spielverlagerung.de] empfohlen – ebenfalls eine Premiere. Wobei Book
       auch im Wortsinn gemeint ist, denn abgesehen von Mini-Grafiken der
       Teamaufstellung gibt es hier nur: Text. Seitenlang werden die taktischen
       Optionen, Stärken und Schwächen der Spieler und Teams analysiert, präziser
       und tiefgehender findet man das nirgends. Dazu kommen einige
       Hintergrundtexte und Porträts. Sprachlich ist das zwar manchmal etwas lang
       und umständlich, aber insgesamt doch ziemlich gefällig.
       
       Kombiniert mit dem 11-Freunde-Heft deckt das Spielverlagerungs-Buch dann
       auch am ehesten alle Wünsche nach Spaß und Ernst in der EM-Vorbereitung ab.
       Wer alles kompakt in einem Heft haben will, muss sich halt zwischen kicker,
       Sport-Bild und ballesterer entscheiden.
       
       2 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://spielverlagerung.de/
       
       ## AUTOREN
       
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