# taz.de -- Debatte um Berlins Flughäfen: Die große Luftnummer
       
       > Sperenberg wurde immer wieder als Alternativ-Standort für den
       > Großflughafen genannt. Nun fordern Brandenburger Politiker, dort eine
       > Landebahn zu bauen, wenn es in Schönefeld zu eng werden sollte. Ein
       > Besuch.
       
 (IMG) Bild: Was passiert, wenn es hier zu eng wird: Flugfeld auf dem noch uneröffneten Flughafen Willy Brandt.
       
       Es ist, als sei man in einen Disney-Film geraten: Die Kiefern stehen dicht
       an dicht, die Sonne schlägt Schneisen auf den Waldboden. Enten gleiten im
       Tiefflug über den See, so dass sich ihre Bäuche darin spiegeln. Fehlen nur
       noch sprechende Rehe. Hier, südlich von Berlin, zwischen Zossen und
       Luckenwalde, liegt der ehemalige Militärflugplatz Sperenberg. Das
       abgelegene Gelände war schon öfter im Gespräch als Flughafenstandort, nun
       soll es irgendwann zumindest ein Teil des neuen Großflughafens „Willy
       Brandt“ werden. Jedenfalls, wenn es nach der Brandenburger CDU geht. Die
       weigert sich nach der missglückten Eröffnung vollends, Schönefeld als
       alleinigen Standort für den Berliner Airport zu akzeptieren. „Ein
       wirtschaftlicher Betrieb ist dort endgültig nicht mehr möglich“, sagt
       Landeschefin Saskia Ludwig.
       
       Ihre Idee: Selbst wenn der Flughafen in Schönefeld fertig wird, stieße er
       mit seinen zwei Landebahnen bald an Kapazitätsgrenzen. Ludwig denkt deshalb
       über eine dritte Bahn nach – in Sperenberg, 40 Kilometer entfernt von
       Schönefeld.
       
       Derzeit ist der neue Flughafen auf 27 Millionen Passagiere ausgelegt. Durch
       weitere Ausbaustufen soll er später bis zu 45 Millionen Passagiere
       bewältigen können. Der Brandenburger CDU ist das zu wenig: Sie verweist auf
       Statistiken, die schon für 2040 mit 50 Millionen Passagieren rechnen.
       Ludwig möchte deshalb das Sperenberger Militärareal als Option zur
       Erweiterung offenhalten.
       
       Am See bei den Enten lehnt Lutz Lehmann an einem Baum, das Areal im Blick.
       Lehmann ist Sperenbergs Ortsvorsteher, ein Mann von schlanker Gestalt, aber
       mit fetten Ideen: „Was für ein Bombengelände für ein Sanatorium oder eine
       Rehaklinik“, sagt er und raucht eine Zigarette. „Hauptsache, es kommen
       keine Flugzeuge“, meint er dann. „Ganz schwieriges Thema.“
       
       Am besten stellt man sich Lehmann als einen Zen-Charakter im
       Multitaskingmodus vor: Präsident des örtlichen Sportvereins, Solarium- und
       Saunabetreiber, örtlicher CDU-Vorsitzender und Kurier – das macht der
       54-Jährige alles parallel. Den Bau des Großflughafens verbucht Lehmann als
       „Katastrophenplanung, mit Steuergeld hochgezaubert“. Weitere planerische
       Fiaskos dieser Größenordnung müsse man der Region nicht zumuten. Und so hat
       der Ortsvorsteher für Saskia Ludwigs Landebahnvisionen auch nur einen Satz
       übrig: „Ich weiß nicht, was ihr durch den Kopf geht.“
       
       Dann springt er in seinen schwarzen Geländewagen und gibt Gas. Über
       löchrige Pisten geht es rumpelnd um das einstige Militärareal herum, das
       die Sperenberger pragmatisch „Russengelände“ nennen. Rund 10.000
       sowjetische Soldaten waren hier hinter Zäunen und Mauern stationiert, die
       letzten zogen 1994 ab. Die Anlage, zu der neben dem Flugfeld auch
       Schießstände gehören, wurde erst vor kurzem vom Bund ans Land Brandenburg
       übergeben. Solange die Details geklärt werden, ist der Zutritt aufs Gelände
       untersagt.
       
       Doch durch die Bäume lassen sich Ruinen erspähen: zerfallende Kasernen, die
       Überreste des Offizierskasinos. Nicht einsehbar, im Herzen des 3.551 Hektar
       großen Areals, liegt das alte Flugfeld wie ein Mysterium. Eines, das
       Lehmann herzlich wenig interessiert. „Flugzeuge waren gestern“, sagt er.
       
       Gestern, das heißt für Lehmann: 1993. Damals kam der Standort in die engere
       Wahl für den neuen Großflughafen. Sperenberg galt als Alternative zu
       Schönefeld und war der Favorit der brandenburgischen SPD-Regierung unter
       Manfred Stolpe. Doch schon bald entwickelte sich die Flughafenoption zur
       schweren Hypothek für die Gemeinde. Zwar fiel 1996 die Entscheidung für
       Schönefeld, Sperenberg behielten die Planer jedoch in der Hinterhand. „Das
       Russengelände stand jahrelang auf Stand-by und rottete vor sich hin“, klagt
       Lehmann. „Wir wollen es als Gemeinde endlich nutzen – jetzt, da es dem Land
       gehört.“ Die Forderung klingt wie ein Weckruf an die eigenen Leute.
       
       Mit seinen 1.600 Einwohnern macht Sperenberg einen rundherum verschnarchten
       Eindruck. Einfamilienhäuser reihen sich akkurat entlang der Hauptstraße,
       vor dem Friseursalon „Haarmonie“ fegt eine Frau den Bürgersteig. Gegenüber
       dem Gemeindehaus findet an diesem Tag der Wochenmarkt statt, der aus drei
       Ständen besteht. Einer verkauft Obst, der zweite Stretchjeans. Der dritte
       ist Ilonas fahrender Broilergrill. Ältere Herren verteilen sich davor um
       einen Stehtisch und trinken Kaffee aus dünnwandigen Plastikbechern.
       
       Sie reden alle gleichzeitig. Gleich mehrere heißen Willi, Rudi oder Hansi
       und sind sauer. „Mir ist vollkommen egal, was, aber irgendwas muss jetzt
       passieren!“, sagt einer der Rudis und meint das alte Flugfeld. Er trägt
       eine Jacke mit dem Aufdruck „Flughäfen Berlin“, betont aber: „Die ist aus
       Tegel, nicht aus Schönefeld, das den Großflughafen abgestaubt hat.“
       
       ## Den Lärm gewohnt
       
       „Dabei waren wir hier den Lärm gewohnt“, ergänzt ein Hansi, „die russischen
       Maschinen flogen oft und tief.“ Sperenberg hätte den Flughafen damals gerne
       genommen, sagen die Männer. Man hoffte auf Arbeitsplätze, auf
       wirtschaftliche Entwicklung. Die meisten Sperenberger pendeln zur Arbeit
       nach Berlin. Trotzdem: Heute steht eine dritte Landebahn für die Herren vom
       Wochenmarkt nicht mehr zur Debatte. Die Zeit sei reif für etwas Neues,
       meinen sie: „Wenn hier ein Windpark entsteht – ich hätte nichts dagegen“,
       sagt Rudi.
       
       Tatsächlich lässt die Brandenburger Landesregierung derzeit prüfen, ob ein
       Wind- und Solarpark auf dem ehemaligen Militärareal machbar ist. 192 Hektar
       sind noch munitionsverseucht. Doch die ersten Investoren haben bereits vor
       Jahren Interesse angemeldet. 15 Anfragen gab es laut Bundesanstalt für
       Immobilienaufgaben.
       
       Ortsvorsteher Lehmann lässt den Motor des Geländewagens aufheulen. In
       seiner Funktion als Kurier muss er Post abholen – ausgerechnet vom Zollamt
       am Flughafen Schönefeld. Er steuert seinen Wagen raus aus Sperenberg,
       vorbei an Kalles Angelhof. 30 Minuten Autofahrt über eine schmale, viel
       befahrene Landstraße sind es bis zum Ziel. „Es wäre der infrastrukturelle
       Wahnsinn, die Sperenberger Landebahn an den Großflughafen anzubinden“, sagt
       Lehmann. Von der B 96 aus ist er am Horizont zu sehen: der internationale
       Umschlagplatz, das Prestigeprojekt des Ostens. Die Vollendung der deutschen
       Einheit, wenn es nach der Flughafengesellschaft geht. Lutz Lehmann schaut
       nicht hin. Er schaut in die Zukunft.
       
       3 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joanna Itzek
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
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