# taz.de -- Spanische Bankenkrise: Flamenco-Flashmob am Schalter
       
       > Die Angst vor der Kontensperre geht um, Geld verschwindet über Nacht in
       > Schließfächern: Die Spanier wollen sich von den Deutschen nicht unter den
       > Rettungsschirm drängen lassen.
       
 (IMG) Bild: Schweinebank, Schweinesystem: Da hilft nur noch Krach, Krach, Krach.
       
       MADRID taz | Demonstrierende Rentner oder ein Flamenco-tanzender Flashmob
       in der Schalterhalle, eine lange Schlange von Kunden vor der Tür, die aus
       Unmut über die staatliche Bankenrettung ihre Konten kündigen wollen: Die
       sozialen Proteste in Spanien haben ein neues Ziel bekommen, seit die
       Bankia, ein Zusammenschluss aus sieben spanischen Sparkassen, mit 4,5
       Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern teilverstaatlicht wurde.
       
       Weitere 19 Milliarden Euro werden nötig sein, um das viertgrößte spanische
       Finanzinstitut zu retten. Die restliche Branche braucht nach Schätzungen
       von Goldman Sachs weitere 25 Milliarden Euro. Zusammengenommen entspricht
       dies in ungefähr dem, was die Spanier in den letzten beiden Jahren an
       Kürzungen über sich ergehen lassen mussten. Spaniens Finanzbranche sitzt
       auf Unsummen an „toxischen Aktivposten“ aus Krediten und Immobilien, die
       nicht mehr abbezahlt werden.
       
       Die Krise droht das gesamte Finanzsystem des Landes zu sprengen und könnte
       gar den Euro in den Abgrund reißen. Der Risikozuschlag für Staatsanleihen
       steigt unaufhörlich. Seit einer Woche liegt er deutlich über 500 Punkte.
       Die Zinsen für zehnjährige Schuldverschreibungen beliefen sich zum
       Wochenende auf 6,6 Prozent und nähern sich damit der Zone, in der
       Griechenland, Irland und Portugal unter den europäischen Rettungsschirm
       schlupfen mussten.
       
       Bei den Anlegern geht die Angst um. Nach Zahlen der spanischen Zentralbank
       zogen sie in den vergangenen 12 Monaten 296 Milliarden Euro ab. Das
       entspricht 28 Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung. Der März schlug
       mit 66,7 Milliarden Euro alle Rekorde.
       
       ## Spanier trauen ihren Banken nicht mehr
       
       Dabei verkaufen nicht nur ausländische Investoren ihre spanischen Aktien
       und Staatsanleihen. Auch die Spanier selbst trauen ihren Banken nicht mehr.
       Staatliche Stellen und öffentliche Unternehmen verschoben im März fünf
       Milliarden Euro.
       
       Und selbst die Banken bunkern ihre Rücklagen im Ausland, statt sie
       heimischen Kollegen anzuvertrauen. Knapp 20 Milliarden Euro nahmen im März
       diesen Weg. Das Geld stammt aus den Liquiditätshilfen, die die Europäische
       Zentralbank zum Niedrigzinssatz von nur einem Prozent vergeben hatte.
       
       ## Nur weg mit dem Geld!
       
       Auch Familien und Kleinunternehmer werden langsam unruhig. Sie verlagerten
       im März 1,4 Milliarden Euro ins Ausland. Die Warteliste für
       Bankschließfächer werden immer länger. So mancher bewahrt darin sein
       Vermögen in großen Scheinen oder Gold auf. Das Angstwort der Stunde heißt
       „corralito“. Es kommt aus Argentinien und steht für die Kontosperre
       2001/2002.
       
       Der konservative Wirtschaftsminister Luis de Guindos wirkt immer hilfloser.
       Mehr als drei Wochen sind seit der Bankia-Verstaatlichung ins Land
       gegangen, ohne dass der Mann, der die US-Bank Lehman Brothers bis zu deren
       Crash in Spanien und Portugal vertrat, ein schlüssiges Konzept für die
       Sanierung vorgelegt hätte.
       
       Eine direkte, staatliche Liquiditätsspritze mittels neuer Staatsanleihen
       scheitert am Einspruch Brüssels. Der spanische Bankenrettungsfonds FROB hat
       so große Summen nicht. Und die Lösung, Geld aus dem europäischen
       Rettungsfonds für Bankia anzufordern, ohne dass Spaniens als solches unter
       den Rettungsschirm schlupft, bräuchte eine Regeländerung. Dies scheiterte
       bisher schon an der Haltung Berlins.
       
       ## Bundesregierung macht Druck
       
       Und nach Informationen des Spiegel vom Wochenende will die Bundesregierung
       ihre Kollegen in Madrid nun sogar aktiv drängen, Hilfen aus dem Fonds
       anzufordern. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe den
       spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos bereits bei seinem Beusch in
       Berlin am vergangenen Mittwoch unter Druck gesetzt.
       
       De Guindos selbst sagte aber: „Die Zukunft des Euros wird in diesen Wochen
       in Italien und Spanien ausgetragen.“ Er scheint auf eine europäische
       Bankenunion zu setzen, in der sich die Geldinstitute der EU gegenseitig
       absichern. Auf einer Blitzreise nach Washington warb Vize-Premier Soraya
       Saénz de Santamaría bei US-Schatzmeister Tim Geithner und der Vorsitzenden
       des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, für dieses Konzept.
       Gleichzeitig wanrt Finanzminister Cristóbal Montoro zu Hause die
       internationalen Anleger - und damit indirekt die deutsche Kanzlerin Angela
       Merkel (CDU) - vor hohen Verlusten, falls Spanien endgültig abstürtzt.
       
       „Eine kindische Drohung“, urteilen drei der prestigereichsten spanischen
       Wirtschaftsprofessoren, die in den USA, Kanada und Großbritannien lehren,
       in einem vielbeachteten Meinungsartikel in der größten Tageszeitung des
       Landes, der El País. „Wir wollen nicht zurück zum Spanien der 50er Jahre.“
       Sie fordern eine Technokratenregierung nach italienischem Vorbild, die von
       allen großen Parteien gestützt wird.
       
       3 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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