# taz.de -- Mob bedroht ehemalige Sexualstraftäter: Wo NPD und „Bild“ gleichzeitig hetzen
       
       > Dorfbewohner als Mob: Im Dörfchen Insel in Sachsen-Anhalt versuchten 50
       > Einwohner das Haus von ehemaligen Sexualstraftätern zu stürmen.
       
 (IMG) Bild: Die Bewohner von Insel demonstrieren gegen ihre Nachbarn.
       
       DRESDEN taz | Seit dieser Woche herrscht in dem 400-Seelen-Dörfchen Insel
       bei Stendal in Sachsen-Anhalt der Ausnahmezustand. Sperrgitter und ein
       permanentes Polizeiaufgebot mit Hunden sichern das Haus, in dem sich seit
       Juli 2011 ein 54- und ein 64-jähriger ehemaliger Sexualstraftäter
       niedergelassen haben.
       
       Gemeinsam mit angereisten Neonazis hatten am Freitagabend etwa 50
       Dorfbewohner versucht, das Haus zu stürmen. Demonstrationen in der
       unmittelbaren Umgebung des Hauses sind bereits seit längerem verboten. Am
       Dienstag beschäftigte die Eskalation der Proteste gegen die beiden Männer
       den ganzen Tag das Sachsen-Anhalter Regierungskabinett und die
       Landtagsfraktionen.
       
       Vom jüngeren Hans-Peter W. ist bekannt, dass er im Alkoholrausch mehrfach
       Taxifahrerinnen vergewaltigte. Nach verbüßter Haftstrafe in
       Baden-Württemberg verbrachte er 18 Jahre in Sicherungsverwahrung, bevor er
       gemeinsam mit dem ebenfalls entlassenen Günther G. von einer
       Tierarztfamilie in Insel aufgenommen wurde. Ihre Entlassung hing mit der
       Aufhebung der deutschen Praxis der Sicherungsverwahrung durch den
       Europäischen Gerichtshof zusammen.
       
       Obschon sich beide bis heute an alle Auflagen gehalten haben und nicht mehr
       auffällig wurden, nahmen seit dem Herbst letzten Jahres die
       Einwohnerproteste gegen ihre Anwesenheit zu. Mit Plakaten wie „Wir sind
       nicht eure Therapie – auf Wiedersehen!“ wurde ihr Wegzug verlangt. Die
       Wogen schlugen so hoch, dass Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner
       Haseloff im November seinen Parteifreund, den Bürgermeister von Insel,
       Alexander von Bismarck (CDU), im Landtag sogar als „Populisten“
       bezeichnete.
       
       Vom Widerstand zermürbt, suchte Hans-Peter W. vor etwa zwei Wochen ein
       neues Domizil in Chemnitz. Doch die Bild-Zeitung hetzte weiter gegen den
       „Sexgangster“ und die NPD organisierte auch hier Proteste. Nur zehn Tage
       später kehrte W. deshalb nach Insel zurück, was zu einer neuerlichen
       Protestwelle führte. Die Übergriffe auf Polizisten am Wochenende fanden nun
       ein überregionales Echo – und riefen endgültig auch die Landespolitik auf
       den Plan.
       
       ## „Selbstjustiz“ und „Menschenjagd“
       
       Ministerpräsident Haseloff ließ am Montag eine Erklärung verbreiten.
       „Entlassene Straftäter stehen nicht außerhalb der Gesellschaft. Jeder
       Versuch, sie auszuschließen oder sogar aus unserer Mitte zu vertreiben, ist
       nicht hinnehmbar“, betont er darin den Resozialisierungsgedanken.
       Justizministerin Angela Kolb sprach von einer „neuen Stufe“ der Proteste
       und zeigte sich besorgt – vor allem wegen der Rolle der NPD. Sie wolle sich
       bemühen, „vor Ort zu vermitteln und den Menschen ihre Ängste zu nehmen“.
       Eine „professionelle Moderation“ sei viel zu lange versäumt worden,
       kritisierte zugleich der Magdeburger Grünen-Rechtspolitiker Sören Herbst.
       
       Pascal Begrich vom landesweiten „Miteinander e. V.“ sprach von
       „Menschenjagd“ und „Selbstjustiz“. Mit den jüngsten Ausschreitungen sei
       „jede Grenze einer demokratischen Protestkultur überschritte worden“, sagte
       er im MDR. Begrich trat dafür ein, sich mit jenen Menschen in Insel zu
       solidarisieren, die sich bislang für den Schutz der beiden Männer
       eingesetzt hatten.
       
       Für diesen Freitag wird dort jedoch eine weitere Eskalation befürchtet. Die
       NPD hat eine Protestkundgebung angemeldet – aber auch Gegendemonstranten
       machen bereits mobil.
       
       5 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sicherheitsverwahrung
       
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