# taz.de -- England bei Fußball-EM: „Zu weit weg von Europa“
       
       > Keine Fahnen, keine Werbung für die EM, kaum jemand interessiert sich in
       > England für das Turnier. Das könnte daran liegen, dass die Engländer
       > immer verlieren, sagt Simon Kuper.
       
 (IMG) Bild: Den Engländern fehlen die Stars. Oder sie sind wie Steven Gerrard schon zu alt.
       
       taz: Herr Kuper, vor jedem Turnier glauben die Engländer, ihre Mannschaft
       holt den Titel. Diesmal auch? 
       
       Simon Kuper: Überhaupt nicht. Das erste Mal sind die Engländer sehr
       pessimistisch. Auch wird sehr wenig über die Mannschaft und die EM
       berichtet. Die Zeitungen berichten vor allem über Cricket und Rugby. Die
       EM-Stimmung fehlt völlig. In London sieht man keine Fahnen, keine Werbung
       für die EM, kaum jemand interessiert sich für das Turnier.
       
       Englands Bilanz bei Europameisterschaften ist katastrophal. Die beste
       Platzierung war ein dritter Platz 1968. Warum? 
       
       Das Scheitern ist ziemlich logisch. Wir haben berechnet, dass England etwa
       die zehntbeste Mannschaft der Welt sein müsste und normalerweise ist das
       auch so. Da spielen Faktoren wie die Größe des Landes oder das
       Pro-Kopf-Einkommen eine wichtige Rolle. Doch die Engländer erwarten zu
       viel. Dass wir das Spiel erfunden haben, bedeutet heute nichts mehr.
       
       Außerdem gibt es europaweit einen Austausch von Kenntnissen, bei dem
       England außen vor ist. Deutschland hat sich nach der EM-Katastrophe von
       2000 sehr viel bei den Niederländern und Spaniern abgeschaut und ist
       deswegen besser geworden. Die Engländer haben keine Ahnung vom europäischen
       Fußball.
       
       Die englische Europaskepsis wirkt sich negativ auf den Fußball aus? 
       
       Wir sind als Insel zu weit von Europa entfernt. Wir wissen zwar, dass
       Spanien die beste Mannschaft ist, aber wie sie das machen, ist uns nicht
       klar. Der große Nachteil ist zudem die Premier League. Da spielen zu viele
       Engländer. Die Liga ist so stark, dass sie für die Spieler unglaublich
       ermüdend ist. Die Spieler sind mehr gefordert als in der Bundesliga oder
       beim FC Barcelona, wo es viele einfache Spiele gibt.
       
       Sie schreiben in Ihren Buch, dass England besonders häufig gegen frühere
       Kriegsgegner verliert. 
       
       Komischerweise ist England in den letzten sieben Weltmeisterschaften
       fünfmal gegen Deutschland oder Argentinien ausgeschieden. Das ist für die
       Boulevardpresse immer ein gefundenes Fressen. Aber die Ressentiments nehmen
       ab. Zwar ist Deutschland der Angstgegner, aber antideutsche Gefühle und
       Witze gibt es kaum noch.
       
       Im Umkehrschluss der Kriegsgegner-Regel sollte es doch gegen Frankreich gut
       ausgehen. 
       
       2004 haben wir auch gegen Frankreich verloren. Für England gibt es keine
       Garantien.
       
       Bei wem wird man diesmal die Schuld suchen, wenn es wieder schiefgeht? 
       
       Meist ist der Trainer der Sündenbock, diesmal wird es aber einen Spieler
       treffen. Ich erwarte, dass John Terry der Auserwählte sein wird. Er war
       zuletzt in eine Rassismus-Affäre verwickelt und wird sehr kritisch beäugt.
       
       Was ist mit den Torhütern? 
       
       Mit Joe Hart haben wir zum ersten Mal einen Weltklasse-Torhüter. Zwar kann
       ihm ein Patzer unterlaufen, so wie das englischen Torhütern meistens
       passiert, aber er ist wirklich gut.
       
       Der englische Verband hat nur 10.000 Tickets für die drei Vorrundenspiele
       abgesetzt. Haben die Fans schon jetzt resigniert? 
       
       Ja, die Hysterie der letzten Turniere war ermüdend. Auch fehlen der
       Mannschaft die Stars oder sie sind wie Steven Gerrard schon zu alt. Frank
       Lampard fehlt verletzt, Wayne Rooney ist für die ersten beiden Spiele
       gesperrt. Aber die negative Stimmung ist fehl am Platz. Die meisten Spieler
       kommen vom Champions-League-Sieger Chelsea oder einem der Clubs aus
       Manchester. Das ist schon eine sehr akzeptable Mannschaft.
       
       Was würde bei einem überraschenden EM-Sieg passieren? 
       
       Wahrscheinlich könnten die Engländer nur sehr schlecht damit umgehen und
       würden zu viel Übermut entwickeln. Sympathischer sind sie, wenn sie
       verlieren. Dann machen sie Witze über sich selbst. Ich hoffe also nicht,
       dass sie gewinnen. Aber ein bisschen Erfolg brauchen sie auch. Halbfinale
       wäre sehr nett.
       
       11 Jun 2012
       
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