# taz.de -- Kampf gegen das Ausbaggern: Lieber spät als nie
       
       > Die Klagen liegen beim Gericht, das Planverfahren für die Weservertiefung
       > ist abgeschlossen - doch der Widerstand gegen das Projekt wächst,
       > mittlerweile ruft sogar die regionale FDP dazu auf.
       
 (IMG) Bild: Bahn frei für Containerriesen: Baggerschiff auf der Außenweser.
       
       BREMEN taz | Mit einer [1][Online-Petition] beim Bundestag versucht’s jetzt
       die [2][Bürgerinitiative] gegen die Weservertiefung aus Brake. Seit dem
       Wochenende ist die online, und die Hoffnung auf Erfolg ist auch bei den
       InitiatorInnen ziemlich gering. „Wir sind ja realistisch“, sagt Sybille
       Früchtnicht.
       
       Damit der Bundestag überhaupt noch einmal übers Projekt Weservertiefung
       berät, wären 50.000 UnterstützerInnen nötig. Unterschrieben haben bis
       Montagmittag 82, am 12. Juli endet die Zeichnungsfrist – und selbst wenn,
       es bliebe sehr ungewiss, ob der die Bagger stoppt.
       
       Aber wer weiß. Das Ausbaggern der Außenweser, an der die Bremerhavener
       Containerterminals liegen, und das der Unterweser stößt auch ein Jahr nach
       Abschluss des Planverfahrens auf Widerstand. Zwar haben ein paar der direkt
       Betroffenen einem vom Bundesverwaltungsgericht angeregten Vergleich
       zugestimmt. Aber dem [3][BUND] habe kein Angebot vorgelegen, sagt Martin
       Rohde, Geschäftsführer des Umweltverbandes, nur die Zusage, dass bis zum
       Urteil im Herbst nicht gebaut wird. Und auch die Bauern erhalten ihre Klage
       aufrecht: „Wir sind erst im Viertelfinale“, sagt der Kläger Ralf Degen.
       „Bis 30. Juni haben wir Zeit – und vorher äußern wir uns nicht.“
       
       Das Problem für die Landwirte – in der Wesermarsch geht’s meist um
       Milchvieh Weidehaltung– ist die Versalzung: Je tiefer das Flussbett, desto
       stärker drückt bei Flut die Nordsee ins Land. Das Salzwasser sammelt sich
       in den Bewässerungs-Kanälen, aus denen die Kühe sonst saufen. Die
       Konzentration ist schon jetzt oft viel zu hoch – „bis zu neun Gramm je
       Liter bei trockener Witterung“, sagt Degen.
       
       Mitunter kommt der Widerstand von ganz unverhoffter Seite. So hat sich
       jetzt ausgerechnet die regionale FDP strikt gegen die Pläne ausgesprochen.
       „Das ist zugegebenermaßen spät“, sagt Manfred Wolf, Vorsitzender der
       liberalen Fraktionen im Kreistag und Stadtrat in Nordenham. „Aber wir und
       unsere Enkel wollen hier ja auch noch leben“, wenigstens das. Denn
       Schwimmen und Baden das geht in Nordenham schon wieder nicht mehr: Die
       Sandstrände verschlicken, und ein paar Meter weit draußen reißt dich die
       Strömung schon weg. „Das ist lebensgefährlich“, bestätigt Wolf. Nein, der
       ehemalige Airbus-Manager ist weiß Gott kein verkappter Grüner. „Wenn ich
       hier auf die Weser schaue und es kommen den ganzen Tag nur ein paar Schuten
       vorbei“, sagt er aber, „dann frage ich mich, wozu brauche ich hier eine
       Vertiefung?“ Die Kosten sind hoch. Der Nutzen – unklar: „Die
       Wirtschaftlichkeitsberechnung leuchtet mir nicht ein“, sagt Wolf.
       
       Als Profiteur gilt vor allem die [4][J. Müller AG], die den Hafen in Brake
       betreibt. Dass die Kosten hoch sein werden, ist gewiss. Denn neben dem
       Vertiefen der Fahrrinne, das mit rund 50 Millionen Euro beziffert wird,
       fallen noch Reparaturen an. Die größte: Der Generalplan Wesermarsch (GPW),
       der die Versalzung eindämmen soll. Dafür waren 37,5 Millionen Euro
       Landesmittel vorgesehen, aber jetzt rechnet man mit Kosten von 86,5
       Millionen Euro oder noch mehr.
       
       Was das Ergebnis der umfangreichen Machbarkeitsstudie zum GPW ist, hat die
       Landesregierung noch nicht verraten. Kommenden Donnerstag wird Ina Korter
       (Grüne) da im Landtag nachhaken: „Man bekommt den Eindruck, das soll unter
       Verschluss gehalten werden“, sagt die Abgeordnete. Ohnehin hält sie es für
       wenig einleuchtend, dass Niedersachsen sich als Haupt-Financier eines
       Projekt betätigt, das vor allem gut für die Bremerhavener
       Containerterminals sei. „Das ist doch Konkurrenz zum Jade-Weser-Port“, sagt
       Korter.
       
       Stimmt nicht, sagt Ralf Rüdiger Heinrich vom [5][Wirtschaftsverband Weser],
       und spuckt Zahlen aus: „Der JWP soll, wenn er funktioniert, 3,5 Millionen
       TEU schaffen, Bremerhaven liegt derzeit bei sechs Millionen.“ TEU ist die
       Maßeinheit für Containerfracht. Hamburg hat derzeit neun Millionen TEU.
       Aber der Trend, der gehe ganz eindeutig nach oben: „Bis 2015 liegen wir bei
       18-20 Millionen TEU“, prophezeit Heinrich – transportiert von Großfrachtern
       à 12.000 TEU und größer. Möglich. Bloß liegt deren Tiefgang mit 18 plus x
       Metern weit jenseits einer um 90 weitere Zentimeter auf 12,80 Meter
       ausgebaggerten Weser.
       
       Und auch das Gutachten der Planco-Consult überzeugt nicht recht. Das
       verheißt, dass jedem investierten 25,50 Euro Ertrag gegenüber stünden. Im
       Jahre 2002 war das. Doch einige der Annahmen sind längst passé: So steigt
       der Bedarf Bremens an Steinkohlelieferungen nicht an, weil der örtliche
       Energieversorger eben doch das Kohlekraftwerk nicht baut, das er damals
       plante.
       
       Die Zahlen sind nicht transparent“, findet Wolf. Viel zu früh habe sich die
       Landesregierung aufs Projekt festgelegt – von dem fast nur einer
       profitiere.
       
       18 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.keineweservertiefung.de/platzhalter.html
 (DIR) [2] http://www.keineweservertiefung.de/Download/BI%20intern/Gesamtpetition%2020120513_BI-Ansichtsexemplar%20final%20korr%2020120606.pdf
 (DIR) [3] http://www.bund-bremen.net/index.php?id=10771
 (DIR) [4] http://www.jmueller.de/de/unternehmensgruppe/holding/kontakt
 (DIR) [5] http://weser.de/index.php?id=67
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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