# taz.de -- Kommentar Breivik-Prozess: Eine politische Tat
       
       > Anders Breivik mag ein einsamer Täter gewesen sein, doch steht er mit
       > seinen Ideen alles andere als allein. In Norwegen muss nun ein Kampf
       > gegen Intoleranz im Alltag beginnen.
       
       Nach zehnwöchigem Prozess steht das Gericht in Oslo vor der gleichen Frage
       wie am Anfang: Ist Breivik als schuldfähig einzustufen oder ist er
       unzurechnungsfähig? Doch ist es wirklich so entscheidend, ob er die
       nächsten zwei Jahrzehnte in einer geschlossenen Psychiatrie oder in einer
       Haftanstalt verbringt? Eines nämlich hat der Prozess klar gemacht: Breiviks
       Tat war politisch.
       
       Mag er in seinen Handlungen der einsame Täter gewesen sein, so steht er mit
       seinen Ideen alles andere als allein. Wie ein roter Faden zieht sich durch
       sein Manifest und seine Stellungnahmen jenes Räsonnement, das man aus der
       Counterjihad-Ecke und vom traditionellen Rechtsextremismus her kennt.
       
       Die Gruppen, die Breiviks Gesellschaftsanalyse teilen, sähen ihn gerne in
       der Psychiatrie. Könnten sie sich so doch viel leichter von diesem
       „verrückten“ norwegischen Massenmörder abkoppeln. Ein schuldfähiger
       Terrorist Breivik hingegen wäre einer, der die äußersten Konsequenzen
       antimuslimischer und rechtsextremer Rhetorik repräsentiert.
       
       Was ist aus der Suche nach dem „Warum?“ geworden, fragen Kritiker des
       Prozessverlaufs. Breivik ist nicht vom Himmel gefallen. „Was hätten wir
       anders machen können und was machen wir nun?“ Diese von der
       Schriftstellerin Anne Holt gleich nach dem Massaker aufgeworfene Frage ist
       vor Gericht nahezu ausgeblendet worden. Und sie läuft Gefahr, nach
       Prozessende erst recht begraben zu werden.
       
       So sangen zwar Zehntausende aus Protest auf den Marktplätzen das
       Pete-Seeger-Lied „Kinder des Regenbogens“; doch gleichzeitig löst es kaum
       mehr als ein Achselzucken aus, wenn 450 seit Jahren in Norwegen lebende
       asylsuchende Kinder von Ausweisung bedroht sind. Oder Vertreter des
       islamischen Rats von kräftig gestiegenem Muslimhass berichten.
       „Breivik-Vermeidung“ fängt beim alltäglichen Kampf gegen Intoleranz und
       Diskriminierung an.
       
       22 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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