# taz.de -- Beim Viertelfinale in Athen: Schwarz, blau, rot, weiß, geil
       
       > Khedira ballert, Klose köpft, Deutschland schlägt Griechenland. Es ist
       > alles so, wie man sich es nicht vorgestellt hat in der Fußgängerzone in
       > Athen. Ein Ortstermin.
       
 (IMG) Bild: Kein Public Viewing, aber viele Fernseher in Athens Fußgängerzone.
       
       ATHEN taz | Als sie nach Hause gehen, als die Flaggenverkäuferin weiter
       zieht, als die Polizei den Mannschaftswagen verriegelt auf irgendeinem
       Platz in Athen, da ist wohl Angela Merkel schon aufgestanden von ihrem
       Plastikstuhl in [1][Danzig]. Wäre Michel Platini deutscher Kanzler, es wäre
       ihnen schwergefallen zu lachen in Griechenland. Er saß 90 Minuten
       rotweindick auf seinem Ehrenplatz. Aber Angela Merkel: Ihr Zittern, das
       Ballen ihrer Fäuste, ihr pistaziengrünes Jackett. Buhrufe, eher verzagt als
       aggressiv.
       
       Die meisten lachen über die Frau aus der Uckermark, ohne die Uckermark zu
       kennen, woher sollten sie auch? Vielleicht würden sie sonst noch lauter
       lachen. Sie schlagen ihre griechischen Zeitungen auf und sehen: Merkel. Als
       ob es nicht reicht, dass wir sie sehen. Das hält ein Volk auf Dauer nicht
       aus. Kann es gar nicht. Wir haben sie gewählt, selbst Schuld, aber sie doch
       nicht.
       
       Sie sitzen [2][an einem Platz in der Hauptstadt] der ältesten Demokratie
       der Welt, jedenfalls lernt man das im Geschichtsunterricht, an dem die
       Polizei in letzter Zeit hin und wieder Tränengas versprüht, jedenfalls
       sieht man das in den Nachrichten, bestellen Bier und bekommen Chips in
       Tellern. Die Flaggenverkäuferin weiß nicht, was sie tun soll: Am Rand
       warten mit ihren blau-weißen Fähnchen, drei Euro das Stück, oder durch die
       Reihen gehen und den rauchenden Männern über den Kopf streichen mit den
       immerhin nationalen Stoff-Rechtecken?
       
       ## Bier und Chips in Tellern
       
       Da ist da Spiel noch nicht angepfiffen. Die Bildschirme, von denen
       mindestens zwölf in dieser Fußgängerzone hängen, zeigen Sami Khedira, und
       man ist noch entspannt und mediterran, obwohl Kenner ahnen, dass Khedira
       was im Schilde führt. „Good man“, sagt ein alter Mann. „Real Madrid“.
       
       Kurz vor Anpfiff, die Hymnen. Sie singen nicht bei der eigenen, sie pfeifen
       nicht bei der deutschen. Sie bestellen Bier und bekommen Chips in Tellern.
       Sami Khedira, sein Blick im Kabinengang. Die Sicherheit eines Mannes, auf
       den ein Model und der beste Club Spaniens warten – auch falls das hier
       schiefgeht. Fünfhundert Meter von der Fußgängerzone entfernt bewachen zwei
       Polizisten das Parlament, sie hören das Spiel im Radio. „Good luck“, sagen
       sie. Auch wenn man sich als deutsch zu erkennen gibt. Gerade dann.
       
       Vor dem Spiel am Kiosk: ein Blick durch die Tagespresse. Der Gefallen
       daran, dass griechische Kritik an Rassismus in Zeitungsformat nicht an
       einem Verzagtheitsproblem leidet, wie anderswo. Da retten die Griechen uns.
       „BILD – Fuck you“, titelt Pressing. Vor dem Spiel ist der Krieg, den
       deutsche und griechische Zeitungen versprachen, jedoch nicht zu finden in
       der Stadt: Überall fahren die Menschen Bus, bestellen Frappé, treten sich
       die Absätze ihrer Stöckelschuhe kaputt. Kein Public Viewing, nirgends.
       
       ## Alles ist möglich
       
       In der Fußgängerzone sieht es nach einem Wunder aus, die Flaggenverkäuferin
       geht durch die Reihen, nachdem Griechenland den Ausgleich geschossen hat,
       55. Minute, Georgios Samaras, Hupen der Motorroller, Hupen der Autos,
       Böller. Einige Männer entscheiden sich, nun auf den Tischen zu tanzen, auf
       denen das Bier steht und die Chips. Alles ist möglich. Halbfinale, Finale,
       Europameister.
       
       Doch Kenner nicken, als Sami Khedira, 61. Minute, den Ball aus der Luft ins
       Tor ballert und man muss ballern sagen, obwohl der Boulevard das Wort
       gekapert hat: Ist das der deutsche Panzer, der angekündigt war? Kenner
       nicken. „Good man!“ Diese Urgewalt, ein Fan alleine kann dieses Tor zum
       meist geklickten Youtube-Video machen, wenn er nur lange genug frei
       bekommt. Anerkennung in Athen für dieses Naturschauspiel. Khedira sieht
       nicht aus wie die Uckermark, sie applaudieren.
       
       Dann köpft Miroslav Klose ins Netz, 68. Minute, dann ballert Marco Reus
       unter die Latte ins Tor, 74. Minute. Dann ist alles so, wie man sich es
       nicht vorgestellt hat in dieser Fußgängerzone in Athen, [3][Deutschland
       überrollt Griechenland], ruft den Kellner herbei und zahlt. Am
       Syntagma-Platz haben zwei Polizisten Feierabend, es ist kurz vor zwölf
       Ortszeit, sie haben das Radio abgedreht. Was gibt es jetzt auch noch zu
       hören?
       
       23 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutschlands-Sieg-im-Viertelfinale/!95958/
 (DIR) [2] /Griechenland-im-Viertelfinale/!95867/
 (DIR) [3] /Deutschland-im-Halbfinale/!95957/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Dachsel
 (DIR) Felix Dachsel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Tribüne
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nationalhymnen bei Länderspielen: Unions-Politiker fordern Singpflicht
       
       Unionspolitiker haben die einzig denkbare Ursache für das EM-Aus der
       deutschen Nationalmannschaft gefunden: Nicht alle Spieler haben die Hymne
       mitgesungen.
       
 (DIR) Die Trainer von Frankreich und Spanien: Kompromissfußball und Vereinsdenken
       
       Der französische Nationaltrainer Blanc traut seinen Spielern nicht so viel
       zu. Den spanischen Trainer Del Bosque sieht man niemals ausfällig werden.
       
 (DIR) Viertelfinale Frankreich – Spanien: Die Generation der großen Egos
       
       Die Niederlage gegen Schweden ist schon verdrängt, über den Krach in der
       Kabine wird nicht geredet. Egal, was passiert, die Franzosen halten sich
       für eine Fußballmacht.
       
 (DIR) Fußball gucken beim ZDF auf Usedom: Deutsch, deutsch, deutsch
       
       In der ZDF-Fußballarena sind sie. Diese deutschen Fans in Schlandfarben und
       mit Sitzkissen. Aber auf Oliver Kahns Analyse nach Abpfiff warten dann doch
       nur Wenige.
       
 (DIR) Deutschlands Sieg im Viertelfinale: Jetzt auch noch schön
       
       Beimm 4:2-Sieg gegen die Griechen spielt die deutsche Mannschaft nicht mehr
       nur effektiv, sondern auch kreativ. Der zähe Bayern-München-Stil der
       Vorrunde ist Vergangenheit.
       
 (DIR) Deutschland im Halbfinale: Schland schlägt Schlund
       
       Die Deutschen gewinnen souverän gegen die Griechen. Die taz-Kinder-Experten
       sind zufrieden. Aber mehr als den zweiten Platz trauen sie Deutschland
       nicht zu.
       
 (DIR) Das deutsche Team vor dem Viertelfinale: Dreiklang sucht Vollendung
       
       Gegen Griechenland muss Schluss sein mit dem Spiel auf Nummer sicher. Özil
       wird seine Freiheit nutzen, Klose sollte trotz allem spielen.
       
 (DIR) Griechischer Ex-Bundesligaprofi Amanatidis: „Irgendwann verzweifeln alle an uns“
       
       Ex-Bundesligaspieler Ioanis Amanatidis über die Alternativlosigkeit der
       griechischen Defensivtaktik und die Chancen im EM-Viertelfinale gegen
       Deutschland.
       
 (DIR) Griechenland im Viertelfinale: Einmal die Deutschen schlagen
       
       Im Café Ecuador im Athener Arbeiterviertel Kypseli trifft man Arbeiter,
       Studenten und Geschäftsfrauen. Ein Besuch kurz vor dem Deutschland-Spiel.