# taz.de -- Urteil zu religiösen Beschneidungen: Jüdische Klinik setzt Eingriffe aus
       
       > Die Chirurgen des Jüdischen Krankenhauses in Berlin sind vom Kölner
       > Urteil verunsichert. Sie haben deshalb Beschneidungen bis auf weiteres
       > ausgesetzt.
       
 (IMG) Bild: Hier finden vorläufig keine Beschneidungen mehr statt: Das Jüdische Krankenhaus in Berlin.
       
       BERLIN taz | Wegen des Kölner Beschneidungsurteil führt das Jüdische
       Krankenhaus Berlin bis auf weiteres keine religiös begründeten
       Beschneidungen an Jungen mehr durch. Dies erklärte der Chefarzt der Klinik
       für Innere Medizin, Kristof Graf, der taz.
       
       Nach Prüfung des umstrittenen Urteils des Kölner Landgerichts vom Dienstag
       durch einen internen und einen externen Juristen sei man zu dem Ergebnis
       gekommen, dass man die Chirurgen des Krankenhauses nicht mehr in einem nun
       quasi rechtsfreien Raum operieren lassen könne. Der Kölner Richterspruch
       schaffe bei den Ärzten „große Unsicherheit“, so Graf. Es bestehe in seinem
       Haus jedoch der Wunsch, diesen „Bestandteil unserer medizinischen Aufgaben
       seit 250 Jahren“ bald wieder aufzunehmen, so Graf.
       
       Am Dienstag hatte das Landgericht Köln die Beschneidung von Jungen aus
       religiösen Gründen als Straftat bewertet. Das Gericht verwies unter anderem
       darauf, dass der Körper des Kindes durch die im Islam und im Judentum
       verbreitete Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“ werde.
       
       Nicht nur jüdische und muslimische Verbände übten daraufhin scharfe Kritik
       an dem Urteil. Dieser Kritik schlossen sich auch die beiden Volkskirchen in
       großer Deutlichkeit an. Schon jetzt seien im Jüdischen Krankenhaus Berlin
       zwei geplante Beschneidungen vom Operationsplan abgesetzt worden,
       erläuterte Chefarzt Graf.
       
       ## „Was machen wir jetzt?“
       
       Von den rund 300 Beschneidungen des vergangenen Jahres in seinem Haus seien
       über ein Drittel religiös motiviert gewesen, berichtet er. Die Mehrheit
       davon sei nicht an jüdischen, sondern an muslimischen Jungen vorgenommen
       worden.
       
       Graf betonte, ungeachtet der religiösen Bestimmungen könne eine
       Beschneidung „ein durchaus sinnvoller hygienischer Eingriff“ sein.
       Medizinisch betrachtet sehe er in Beschneidungen keine Körperverletzung.
       Von den derzeit drei Fachärzten, die Beschneidungen durchführten, haben es
       unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils die Rückmeldung gegeben: „Was
       machen wir jetzt?“, erzählte Graf.
       
       Man könne von den Chirurgen nach dem Urteil nicht verlangen, dass sie eine
       Operation durchführten, die sie in ein Rechtsverfahren verwickeln könne.
       Von dem Urteil sei man zunächst sehr überrascht, dann nach einem ersten
       Nachdenken „total entsetzt“ gewesen, so Graf.
       
       Es sei „in seinen Konsequenzen eine Katastrophe“ und „erschreckend in
       seinen Dimensionen“. Die Kölner Entscheidung schränke die Religionsfreiheit
       des Judentums massiv ein. Graf zeigte sein Unverständnis, dass
       „ausgerechnet in Deutschland so ein Urteil“ gefällt werde.
       
       29 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
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