# taz.de -- Experte über spanische Immobilienblase: „Endlich platzt die Blase“
       
       > Bislang haben die Spanier jahrzehntelang gespart, um die eigene Wohnung
       > abzubezahlen. Das lohnt jetzt nicht mehr - und das ist gut so.
       
 (IMG) Bild: Der Staat profitierte von der Spekulationsblase: Gebäude in Madrid.
       
       taz: Herr Mateo, in Spanien ist die Immobilienblase geplatzt und Sie sagen,
       das könne eine große Chance für das Land sein. Warum? 
       
       Borja Mateo: Bisher wurde das ganze Geld, wurden die ganzen Ersparnisse in
       die Bauindustrie investiert, da dies sehr hohe Gewinne versprach. Dabei ist
       das eine Branche mit niedriger Produktivität und ohne Perspektive. Das Geld
       fehlt in anderen Bereichen, für Zukunftsinvestitionen und Forschung, also
       dort, wo es auch eine Steigerung der Produktivität bringen würde. Die
       spanische Wirtschaft wuchs hingegen nur, weil die Spekulationsblase größer
       wurde.
       
       Warum steuerte die Politik nicht dagegen? 
       
       Der Staat profitierte von der Spekulationsblase. Sie schuf sehr schnell
       sehr viele Arbeitsplätze - was zu höheren Steuereinnahmen führte. Der Staat
       konnte so seinen Einfluss deutlich ausweiten, zum Beispiel indem er mehr
       Beamte einstellte.
       
       In den Jahren des Baubooms waren die Zinsen für die Kredite niedriger als
       die spanische Inflation. Wie kann eine Bank da verdienen? 
       
       Die Banken und Sparkassen waren direkt am Baugeschäft beteiligt. Und
       natürlich verdienten sie auch mit den Krediten Geld. Die Inflation war
       schließlich nicht überall in Europa gleich hoch. In Spanien war die
       Inflation hoch, weil alles in den Konsum floss. In Deutschland hingegen war
       sie viel niedriger, dank der Investitionen in die Produktion. Die steigende
       Produktivität lässt die Preise sinken, das wirkt der Inflation entgegen.
       Die spanische Zentralbank hat völlig versagt. Sie unternahm nichts gegen
       diese Kreditschwemme, ganz im Gegenteil.
       
       Jetzt kommt die Rechnung: Spanien braucht für die Rekapitalisierung seiner
       Kreditinstitute bis zu 62 Milliarden Euro aus Brüssel. 
       
       Das ist sehr optimistisch. Die beiden Beraterfirmen, die im Auftrag der
       Regierung die Banken und Sparkassen unter die Lupe genommen haben, gehen
       von einem Verfall der Wohnungspreise von 36 Prozent aus. Aber diese Marke
       haben wir bereits im vergangenen Jahr erreicht. Inzwischen sind wir bei 44
       Prozent angekommen - und es geht weiter bergab, die Preise für Wohnungen
       werden am Ende wohl sicherlich um 60 Prozent unter den Spitzenwerten von
       2006 liegen. Um den Finanzsektor in Spanien zu retten, werden letztendlich
       130 bis 150 Milliarden Euro notwendig sein.
       
       Mehr als das Doppelte also als bisher diskutiert? 
       
       Die Banken haben toxische Aktivposten, das heißt Immobilien und
       Grundstücke, geschickt in der Bilanz versteckt. Außerdem sind viele
       Immobilien völlig überbewertet. Die Banken beschönigten ihre Situation,
       indem sie den Wert um 10 Prozent höher ansetzten. Das ging so lange gut,
       wie die Preise dank der Spekulationsblase tatsächlich stiegen. Das Dogma
       lautete: Die Wohnungspreise fallen nie. Seit den 1970er-Jahren war das ja
       auch so - bis zum Ausbruch der jetzigen Krise.
       
       Was passiert, wenn die Banken und Sparkassen gezwungen werden, die
       toxischen Aktivposten auszulagern und zu verkaufen? 
       
       Das wird zu einem noch stärkeren Verfall der Wohnungspreise führen. Deshalb
       will die Regierung den Banken 20 Jahre einräumen, um die Immobilien
       abzustoßen. Sollten die Kreditinstitute gezwungen werden, die Immobilien
       schneller an den Markt zu bringen, würden die meisten Institute
       bankrottgehen. Spanien befindet sich in einer sehr kritischen Lage.
       
       Und die Kosten für die Blase müssen jetzt die Familien tragen. 
       
       Vor fünf, sechs Jahren bestand das Gesamtvermögen der spanischen Familien
       zu 80 Prozent aus Immobilieneigentum. Diese Wohnungen haben schon jetzt
       über 40 Prozent ihres Werts verloren; wenn die Preise um bis zu 60 Prozent
       fallen, wie ich es erwarte, verlieren die Spanier also zwei Drittel ihres
       Vermögens. Das Niveau, das die Familien auf dem Höhepunkt der
       Spekulationsblase hatten, werden sie nie wieder erreichen. Dazu wäre ein
       Zuwachs von 200 Prozent nötig. Das ist unmöglich.
       
       Warum wird ein Rettungspaket für die Banken geschnürt, während die Bürger
       auf ihren Schulden sitzen bleiben? 
       
       Das ist ein sehr interessanter Punkt. Wenn die Banken gerettet werden, hat
       die Bevölkerung auch Anspruch auf Hilfe. Es muss irgendwann einen
       teilweisen Schuldenerlass für die Bürger geben. Und wir brauchen eine
       stärkere Kontrolle der Macht. Das heißt, die Regierenden müssen
       strafrechtlich verantwortlich sein für das, was sie tun. Ich rede nicht nur
       von der Korruption, die in Spanien in den Jahren des Baubooms zugenommen
       hat. Und es ist auch nicht nur das liberale Marktdenken, das für die
       Spekulation verantwortlich ist. Die Hauptverantwortung trägt der Staat, der
       ganz direkt die Spekulation begünstigte, weil er über Steuereinnahmen davon
       profitiert hat.
       
       Und wenn Spanien die Banken einfach zusammenbrechen ließe, um bei null
       anzufangen? Island hat sich nach dem Kollaps seines Finanzsystems im Jahr
       2008 berappelt und gilt heute als Beispiel für schnelle Erholung. 
       
       Ein Prozess wie in Island ist in Spanien nur schwer vorstellbar. Das Land
       ist viel größer, die Macht unzähliger Interessengruppen in der Wirtschaft
       und den Regionen auch.
       
       Woher kommt dann Ihr Optimismus, die geplatzte Immobilienblase könne eine
       Chance für Spanien sein? 
       
       Wir werden künftig weniger in Wohnungen investieren müssen. 1973 gab eine
       Familie 5 Jahreseinkommen für eine Eigentumswohnung aus. 2006 waren es
       schon 15 Jahreseinkommen. Das hat die ganze Gesellschaft gelähmt. Die
       Familien mussten fast ihr ganzes Geld für den Wohnungskredit aufbringen.
       Und die Banken investierten nicht mehr in neue Technologien, in Forschung,
       in produktive Industrie, sondern in Dinge, die keinerlei nachhaltigen Wert
       haben. Eine Wohnung, die in 20 oder 30 Jahren abbezahlt wird, ist totes
       Kapital. Ein Kredit, der für den gleichen Zeitraum an ein Unternehmen für
       neue Maschinen vergeben wird, ist produktiv.
       
       1 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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