# taz.de -- NSU-Aktenaffäre beim Verfassungsschutz: Warten auf die rauchenden Colts
       
       > Der Untersuchungsausschuss erfährt die Namen der V-Leute, deren Akten vom
       > Verfassungsschutz geschreddert wurden. Das NSU-Trio war nicht darunter.
       > Dennoch bleiben Fragen.
       
 (IMG) Bild: Richtig glücklich sehen die nicht aus. Der Untersuchungsausschuss am Mittwochabend.
       
       BERLIN taz | Es war ein einzigartiger Vorgang in der deutschen Geschichte.
       Bundestagsabgeordnete pilgerten zur Außenstelle des Bundesamts für
       Verfassungsschutz in Berlin-Treptow. Auf dem streng abgeschirmten Gelände
       konnten sie am Mittwoch das Geheimste erfahren, was ein Geheimdienst in
       seinen Tresoren hat: Die Klarnamen von mehreren Informanten in der
       Neonaziszene, der sogenannten V-Leuten.
       
       Der Schritt war nötig geworden, weil im Verfassungsschutz Teile der Akten
       zu sieben V-Leuten aus dem „Thüringer Heimatschutz“ geschreddert wurden,
       jenem Kameradschaftszusammenschluss also, aus dem auch das Neonazi-Trio Uwe
       Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stammte, die nach ihrem
       Untertauchen 1998 den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) bildeten.
       
       Wer aber erwartet hatte, der NSU-Ausschuss würde bei seiner kurzfristig für
       18 Uhr angesetzten Pressekonferenz am Mittwochabend die smoking gun
       präsentierten, wurde enttäuscht. Aber damit konnte ohnehin kein Beobachter
       ernsthaft rechnen. Sie hätten sich versichern können, so die
       Ausschussmitglieder unisono, dass die V-Leute, deren Akten geschreddert
       wurden, weder Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe gewesen seien - noch jemand,
       der im Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts als Helfer des NSU
       beschuldigt werde.
       
       ## Keine vollständige Entwarnung
       
       „Das ist die wichtigste Botschaft“, sagte Unionsobmann Clemens Binninger.
       Und die SPD-Obfrau Eva Högl befand: „Es war wichtig, diese Akten zu sehen,
       um Verschwörungstheorien den Boden zu entziehen.“ „Vollständige Entwarnung
       kann ich nicht geben“, sagte hingegen Wolfgang Wieland, der sich für die
       Grünen in Treptow durch die ungeschwärzten Akten des Verfassungsschutzes
       wühlen durfte. „Es bleibt bei dem Skandal, dass das Schreddern überhaupt
       passierte.“ Ähnlich äußerte sich die Linken-Obfrau im NSU-Ausschuss, Petra
       Pau. „Es bleiben Fragen“, sagte sie mit Blick auf die „Operation
       Rennsteig“, in deren Zusammenhang es zu dem Geheimdienstskandal gekommen
       war.
       
       „Operation Rennsteig“ war eine großangelegte Aktion von 1996 bis 2003, an
       der das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Thüringer Landesamt und der
       Bundeswehrgeheimdienst MAD beteiligt waren. Sie ist benannt nach einem
       Höhenwanderweg im Thüringer Wald. Im Rahmen der Operation wurden mindestens
       acht V-Leute angeworben. Allesamt bekamen die Spitzel Decknamen mit einem T
       wie Thüringen verpasst, darunter so schöne wie „Tinte“, „Tusche“, „Treppe“
       oder „Tobago“.
       
       Vergangene Woche war nun bekannt geworden, dass sieben Akten über diese
       V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz geschreddert worden waren. Noch
       heikler wurde die Angelegenheit dadurch, dass der für die Löschaktion
       zuständige Referatsleiter ausgerechnet am 11. November 2011 die Unterlagen
       vernichten ließ: Just an jenem Tag wurde bekannt, dass es den NSU gab, und
       der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen gegen die Terrorzelle. In
       einer ersten internen Darstellung des Verfassungsschutzes an das
       Bundesinnenministerium hatte es Ende vergangene Woche geheißen, dass die im
       Rahmen der „Operation Rennsteig“ angeworbenen V-Leute nur „Randpersonen
       oder Mitläufer“ gewesen wären und auch nicht zum NSU-Trio berichtet hätten.
       
       Doch zumindest hier gibt es weiter Fragezeichen. So war einer der V-Leute,
       dessen Akten geschreddert wurden (Deckname: „VM Tarif“) nach
       taz-Informationen 1999 in die Suche nach dem Neonazitrio eingebunden. Im
       Zusammenhang mit einer möglichen Hilfe bei der Flucht durch
       niedersächsische Neonazis heißt es in einem streng geheimen Bericht des
       Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV): „Das BfV hatte in diesem
       Zusammenhang eigene Quellen, insbesondere den u.a. aus der
       niedersächsischen Neonazi-Szene berichtenden 'VM Tarif', sensibilisiert und
       befragt.“ Ob und was er berichten konnte, ist nicht bekannt. Beim Amt
       selbst will man sich auf Nachfrage nicht äußern.
       
       An diesem Donnerstag will der NSU-Untersuchungsausschuss den Mann, der die
       Akten zu diesem und sechs weiteren V-Männern schreddern ließ, in Berlin
       hören. Ob der Verfassungsschutzmitarbeiter aber wirklich aussagen wird, ist
       noch unklar. Auf alle Fälle als Zeuge zur Verfügung steht von 13 Uhr an der
       scheidende Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm, den die Aktenschredderei
       des Mitarbeiters am Montag den Job kostete. Sein Auftritt wird mit Spannung
       erwartet.
       
       4 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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