# taz.de -- Ausstellungsstreit im Emsland: Einblicke ins Schlumpfland
       
       > Das Emsland Moormuseum zeigt bis zum 19. August Bilder des Journalisten
       > und Fotografen Gerhard Kromschröder. CDU-Landrat Reinhard Winter findet
       > manche von dessen Fotos "nicht zielführend".
       
 (IMG) Bild: Merkwürdige Kombinationen aus Tradition und Moderne: "Die Jungschützen".
       
       Hamburg | taz Michael Haverkamp steht der Stress ins Gesicht geschrieben:
       „Das hier ist ein wertneutraler Ort“, sagt der Direktor des Moormuseums im
       emsländischen Groß Hesepe an diesem Tage immer wieder. Kein Wunder, denn
       zur Eröffnung der Ausstellung „Expeditionen ins Emsland“ mit Fotos aus dem
       gleichnamigen Bildband von Gerhard Kromschröder sind weder Landrat Reinhard
       Winter (CDU) noch sein Vorgänger Hermann Bröring (CDU) erschienen – und so
       muss Haverkamp sich all die Fragen anhören, die eigentlich gar nicht ihm
       gelten.
       
       Die beziehen sich auf die Sitzung des Vereins Moormuseum, auf der
       Vorstandsmitglied und „Ehrenlandrat“ Bröring ausgeflippt ist, als er
       erfuhr, was Haverkamp da für eine Ausstellung geplant hat, und auf den
       Brief, den der Sprecher des Landkreises Emsland an die „Zeit
       online“-Redakteurin Tina Groll geschrieben hatte, nachdem sie Kromschröders
       Bildband nicht im Sinne der Kreisvertreter rezensiert hatte.
       
       „Reinhard Winter hat einen dringenden privaten Termin“, ließ Heiner Reinert
       (CDU), Vorsitzender des Kulturausschusses im Kreistag, den Landrat
       entschuldigen. Warum der Ehrenlandrat nicht da war, wusste er hingegen
       nicht, aber: „Man kann schon sagen, Bröring ist beleidigt.“ Schließlich
       habe der im Jahre 2003 nicht ohne Grund den Medienpreis Emsland an
       Kromschröder vergeben: „Damit wollte er wieder gut machen, was Kromschröder
       in den 60er-Jahren widerfahren ist.“
       
       ## Als Redakteur gefeuert
       
       Damals war Kromschröder Redakteur bei der Ems-Zeitung und berichtete mit
       seinem Kollegen Hermann Vinke von Dingen, über die man nicht gerne sprach:
       Die NS-Vergangenheit der Emsländer, die Emslandlager, die stockkatholische,
       konservative Provinz. Dafür wurde er angefeindet, und darum wurde er nach
       vier Jahren gefeuert.
       
       Der Medienpreis hat Kromschröder, der nach dieser Zeit beim Satiremagazin
       Pardon und beim Stern und Spiegel als Nahost-Korrespondent gearbeitet hat,
       freilich nicht dazu veranlasst, plötzlich milde auf das Emsland zu schauen.
       Er tut das, was er immer getan hat: Er schaut kritisch hin und sagt
       deutlich seine Meinung – auch bei der Eröffnung der
       Emslandlager-Gedenkstätte Esterwegen im Oktober: „Da hat er sehr scharfe
       Töne gegen Bröring angeschlagen“, sagt Reinert, „und fast zeitgleich ist
       dann auch noch dieser Bildband erschienen.“
       
       „Dieser Bildband“ zeigt Fotos des Emslandes, wie’s ist: Kühe,
       Schützenbrüder, gelebter Katholizismus, Mais, überpflegte Gärten, Jäger,
       Angler, Bauern, Hühner, Stallanlagen, Supermärkte – fein beobachtete
       Alltäglichkeiten, meist als Gegenüberstellungen angeordnet: Eine Kuh vorm
       Transrapid links, Frauen in Kuhkostümen rechts, Schafe in Heidelandschaft
       auf der einen, Plastikschafe im Vorgarten auf der anderen Seite. Scheinbare
       Kontraste weisen hier erstaunliche Ähnlichkeiten auf, Altes spiegelt sich
       wieder in teils fragwürdigen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts,
       Tradition und Moderne bilden so merkwürdige Kombinationen wie die
       Sonnenbrillen und die Schützen-Uniformen auf dem Foto „Die Jungschützen“.
       Und auch die schönen Seiten von Deutschlands flächenmäßig zweitgrößtem
       Landkreis gibt’s zu sehen: Blühendes Wollgras, die Ems im Morgennebel, eine
       uralte, moosbesetzte Hudebuche – diese Motive sind jedoch in der Unterzahl.
       Und eine Auswahl der Bilder ist nun im Moormuseum ausgestellt, knapp sieben
       Wochen lang.
       
       Noch vor zwei Jahren, als Kromschröder Fotos aus seinem Bildband „Emsland
       Schwarz-Weiß“ in Papenburg ausgestellt hat, sprach der damals noch
       amtierende Landrat Bröring davon, dass der Fotograf in diesen fast 50
       Jahren alten Emsland-Fotos „den sich derzeit abzeichnenden Übergang von
       Tradition in die Moderne meisterhaft dokumentiert“ habe. Wie sich dieser
       Übergang im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelt hat, zeigt
       Kromschröders neuer Bildband – und den scheint Bröring alles andere als
       „meisterhaft“ zu finden: Eigentlich sollten die Fotos vier Monate lang im
       Moormuseum gezeigt werden, aber dann kam die Sitzung des Museumsvereins,
       auf der der Ehrenlandrat rumgeschrien hat.
       
       „Wer Bröring kennt, weiß doch, dass er recht impulsiv sein kann“, versucht
       Heiner Reinert Brörings Ausbruch herunterzuspielen. Auch der neue Landrat
       hat seinen Vorgänger im Vorfeld der Ausstellung in Schutz genommen: „Es
       ging lediglich um die Länge der Ausstellung. Vier Monate wären auch für
       andere Sonderausstellungen zu lang“, sagte Winter. Der Meinung Brörings,
       der die „einseitig negative Ausrichtung“ von Kromschröders Fotos bemängelt
       hatte, schloss er sich indes an: „Die Ausstellung ist nicht so zielführend,
       wie sie sein sollte. Da ist ja nichts drin, was die Dynamik der Region in
       den letzten zehn, fünfzehn Jahren abbildet.“
       
       „Das ist hier wie im Schlumpfland“, sagt Gerhard Henschel. Der
       Schriftsteller hat seine Adoleszenz in Meppen verbracht und diese Zeit in
       seinen Büchern „Jugendroman“ und „Liebesroman“ verarbeitet. Henschel hat im
       Vorwort zu Kromschröders Bildband geschrieben: „Fast schon schmerzhaft
       deutlich wahrnehmbar ist die geballte Tristesse eines nachlässig und doch
       für viele saure Jahre an den Straßenrand geklatschten
       Bushaltestellen-Wartehäuschens, wie es diesseitiger nicht sein könnte. Wer
       als Jugendlicher solchen Kulissen ausgeliefert war, der vergisst nicht
       mehr, wie es sich anfühlt, dort vergeblich auf eine Erleuchtung oder auch
       nur auf den Bus zu warten.“
       
       ## "Mangelndes Selbstbewusstsein"
       
       Die Emsländer nehmen’s mit Humor. Die erste Auflage des Bildbandes war nach
       wenigen Wochen in keiner emsländischen Buchhandlung mehr erhältlich, die
       Ausstellungseröffnung überfüllt. Er finde es toll, sagt ein Besucher, dass
       auch mal einer mit Ironie auf die Region schaue. Allein diejenigen, die
       sich politisch für die „Außendarstellung“ des Landkreises verantwortlich
       fühlen, sind not amused. „Das kann man überall in der Provinz beobachten“,
       sagt Henschel. „Das hat etwas mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun.“
       
       Der Emsländer Theo Mönch-Tegeder, Verlagsleiter der Osnabrücker
       Bistumspresse, wirft Kromschröder denn auch großstädtische Arroganz vor. In
       seiner Rede zur Ausstellungseröffnung ist von einer „Kategorie von Fotos“
       die Rede, „die sich aus einer journalistisch-intellektuellen,
       weltbürgerlichen Warte über einen kleinbürgerlichen Lebensstil erheben“.
       
       Kromschröder selbst ist das alles herzlich egal: „Ich habe meine Fotos
       nicht im Auftrag des Landkreises Emsland gemacht und auch nicht im Auftrag
       irgendeines anderen.“ Er freut sich, wie offen ihm die meisten Emsländer
       auf seiner fast anderthalbjährigen Foto-Expedition begegnet sind. Der
       Betreiber seines Meppener Lieblingscafés ist zur Ausstellungseröffnung
       ebenso erschienen wie die Frau des Jägers, den Kromschröder fotografiert
       hat. „Das hier“, sagt Kromschröder, „ist eine Abstimmung mit den Füßen.“
       
       7 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
 (DIR) Simone Schnase
       
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       sich Gerhard Kromschröder vor Ort wenig Freunde gemacht. Er sieht den
       Landstrich fernab von jeglicher Idylle - und als Metapher für Deutschland
       insgesamt