# taz.de -- Tour de France 2012: Loses Mundwerk im Gelben Trikot
       
       > Britanniens Radheld Bradley Wiggins und die Ethikabteilung der
       > renommierten Oxford University verblüffen mit überraschenden
       > Stellungnahmen zum Thema Doping.
       
 (IMG) Bild: Angesprochen auf das Thema Doping mutierte er vom großen Schweiger zum Fäkal-Rhetoriker: der Träger des Gelben Trikots, Bradley Wiggins.
       
       PORRENTRUY taz | Bradley Wiggins besitzt nicht nur die längsten Koteletten
       im Peloton, sondern neuerdings auch das loseste Mundwerk. Bisher galt der
       wegen seines Aussehens und seiner Abmagerungskuren als exzentrisch bekannte
       Brite eher als Schweiger. Doch seit er im Gelben Trikot der Tour de France
       unterwegs ist, erfährt man zwangsläufig mehr über ihn. Manchmal allerdings
       mehr als man möchte.
       
       Als ein britischer Journalist seinen Landsmann damit konfrontierte, dass
       Zyniker davon ausgingen, dass eine Tour de France ohne Doping nicht
       gewonnen werden könne, kamen dem Gefragten einige Synonyme zu analen
       Körperfunktionen und Masturbation über die Lippen.
       
       Dann ließ er noch wissen, dass er es ablehne, sich mit stinkfaulen Menschen
       abzugeben, die nicht wüssten, welch harte Arbeit in der monatelangen
       Vorbereitung auf eine Tour de France stecke. Damit meinte Wiggins nicht nur
       die Journalisten, sondern auch die Twitterer, auf die sich der Fragesteller
       bezogen hatte.
       
       Im anonymen Getwitscher werden Parallelen gezogen zwischen US Postal (Lance
       Armstrongs einstiges Team, dessen Erfolg sich auch auf das dort
       praktizierte Doping stützte) und UK Postal (einer spaßigen Bezeichnung für
       Wiggins’ britischen Rennstall Sky, der bisher die Tour 2012 dominiert hat).
       
       ## Botschaften aus der Digisphäre
       
       „Gewöhn dich dran, Kumpel. Es ist windig ganz oben“, kommentierte spöttisch
       aus seinem Dopingprozessvorbereitungsstübchen der Armstrong-Vertraute Johan
       Bruyneel. Die Auseinandersetzung ist Beleg dafür, welchen Einfluss die
       Social-Media-Welt mittlerweile auf den Sport hat.
       
       Konventionelle Vor-Ort-Journalisten werden zunehmend zu Übermittlern und
       Verknüpfern von Botschaften, die durch die Digisphäre rauschen. Große
       Erkenntnisse werden dabei allerdings meist nicht produziert. Gegen Wiggins
       liegen bisher keine nennenswerten Dopingverdachtsmomente vor – außer dem
       Generalverdacht, den jeder herausragende Ausdauersportler angesichts der
       Palette pharmazeutischer Möglichkeiten hervorruft.
       
       Er ist immer noch auf Kurs, nicht nur der erste britische Gewinner der Tour
       de France zu werden, sondern auch der erste saubere britische Athlet, dem
       dies gelingt. Das jedenfalls war bei Gründung von Team Sky das erklärte
       Ziel. Die Emotionen jedoch schießen in die Höhe.
       
       Pikant – und hoffentlich nicht charakteristisch für die Stimmungslage im
       Olympia-Gastgeberland dieses Sommers – ist eine vor drei Tagen um die Welt
       geschickte Stellungnahme von zwei praktischen Ethikern der renommierten
       Oxford University.
       
       ## Freigabe von Doping gefordert
       
       Im Zuge der Armstrong-Debatte plädierten die Philosophen für die Freigabe
       von Doping, freilich unter ärztlicher Aufsicht. Ihr Hauptargument:
       Leistungssport an sich sei schädlicher und gefährlicher als die meisten
       Dopingpräparate. Nur die Substanzen, die stärkere Schädigungen hervorrufen
       als Training und Wettkampf, sollten verboten werden.
       
       Angesichts der vielen Knochenbrüche, die große Rundfahrten so mit sich
       bringen, gar nicht zu reden von den tödlichen Unfällen, ist dies ein sehr
       merkwürdiger Rat. Folgt man dieser Argumentaion, müsste man wohl selbst
       Strichnin – Aufputschmittel der Radfahrer aus der Pionierzeit der Tour –
       wieder zulassen.
       
       9 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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