# taz.de -- Tour de France: Eine ausgerenkte Schulterlänge voraus
       
       > Radsprinter André Greipel wird nach seinem dritten Etappenerfolg bei der
       > Rundfahrt zum Favoriten für olympisches Gold ernannt – und stapelt selber
       > tief.
       
 (IMG) Bild: André Greipel jubelt über den Sieg bei der 13. Etappe der Tour.
       
       CAP D’AGDE taz | Erfolge führen zu Privilegien. Am Tag nach seinem dritten
       Etappensieg bei der Tour 2012 – und seinem vierten insgesamt – wurde der
       Bus von André Greipels Team Lotto an den ersten Platz bei der
       Startaufstellung gewinkt. „Die anderen standen schon. Uns haben sie aber
       durchgelotst. Das passiert mir zum ersten Mal“, erzählte Lotto-Teamchef
       Marc Sergeant.
       
       Er konnte sich noch über eine zweite Novität freuen. Zum ersten Mal hatte
       nämlich das gelbe Trikot für seinen Top-Sprinter den Spurt angezogen. „Das
       war ein Geschenk von Wiggins“, frohlockte Sergeant, als er sich an den
       Endspurt in Cap d’Agde zur 13. Etappe erinnerte. Am Samstag hatte der
       Gesamtführende Wiggins den Spurt für seinen Teamkollegen Edvald Boasson
       Hagen eröffnet.
       
       Greipel hing am Rad des Norwegers, schoss mühelos vorbei und wehrte auch
       noch die Attacke des Slowaken Peter Sagan ab. „Er hat tatsächlich von
       Wiggins’ Tempoarbeit profitiert. Aber Wiggins wollte sich mit dieser Aktion
       auch vor Stürzen retten“, relativierte Sergeant die Hilfsleistung des
       Gelben Trikots für Greipel.
       
       Dennoch, der Rostocker ist derzeit das Maß der Dinge, wenn eine Etappe im
       Sprint entschieden wird. Zwar führt Sagan in der Wertung für das Grüne
       Trikot des Punktbesten, weil der junge Slowake selbst bei schweren Etappen
       noch für Punkte gut ist. Aber am Samstag bewies auch Greipel, dass er mehr
       als ein purer Sprinter ist. Als einer der wenigen schnellen Männer überwand
       er 23 Kilometer vor dem Ziel den giftigen Anstieg zum Mont St. Clair.
       
       „Das war die Schlüsselstelle. André war zwar unter den Letzten dort, aber
       er blieb in der großen Gruppe“, lobte ihn sein Teamkollege Marcel Sieberg,
       der Greipel bei diesem Abenteuer helfend zur Seite stand. „Aber fahren
       musste er das schon allein“, schränkte Sieberg seinen Anteil an.
       
       Wegen der Widerstandsqualitäten am St. Clair wird Greipel von englischen
       Journalisten jetzt zum Favoriten für Olympia erklärt. Eine Rolle, die
       eigentlich für ihren Landsmann Mark Cavendish vorgesehen war. Doch Greipel
       wiegelt ab: „Das war nur ein Berg. Olympia wird ein anderes Rennen.“
       
       Das bedeutet nicht, dass er keine Ambitionen hat. Aber der wortkarge
       Rostocker wird die sich nicht vorab entlocken lassen. Er lässt lieber
       Leistungen sprechen. „Ich bleibe mit beiden Beinen auf dem Boden“, sagt er
       taz. Und man glaubt es ihm. Nicht einmal die Fahrt ins Historienbuch der
       Tour, als er trotz aus- und wieder eingerenkter Schulter in Saint-Quentin
       die fünfte Etappe gewann, will er fürs Radsportheldenimage ausnutzen.
       „Solche Geschichten mit der Schulter sind mir vorher schon passiert. Es
       macht schnapp, es tut höllisch weh, das war’s dann“, meint er.
       
       Auch zu seinem 30. Geburtstag am heutigen Montag dämpft er die Erwartungen.
       Das Etappenfinish ist zwar flach und damit für einen vierten Coup perfekt
       geeignet, doch vorher können ein paar Hügel Ausreißern Vorteile
       verschaffen. „Mal sehen, ob überhaupt das Hauptfeld vorn ankommt“, stapelt
       André Greipel lieber tief.
       
       15 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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