# taz.de -- US-Zeitungschef über Online First: „Print wird nicht völlig verschwinden“
       
       > Ab Oktober wird die US-Zeitung „The Times-Picayune“ seltener auf Papier
       > erscheinen. Chefredakteur Jim Amoss über einen Wandel, der den Europäern
       > noch bevorsteht.
       
 (IMG) Bild: Papierhüte wird man in New Orleans auch künftig noch aus Zeitungspapier basteln können. Unterstützer einer täglichen Ausgabe „The Times-Picayune“.
       
       taz: Herr Amoss, die Zukunft des Journalismus liegt im Internet. Richtig
       oder falsch? 
       
       Jim Amoss: Online und Print verbinden – darin liegt die Zukunft von
       Medienunternehmen. Print wird nicht vollkommen verschwinden, davon bin ich
       überzeugt. Einige Zeitungen werden vielleicht länger an der gedruckten
       Ausgabe hängen als andere. Aber klar ist auch: Es wird sich bei den meisten
       Regionalzeitungen einiges ändern.
       
       Im Fall von New Orleans heißt das: Ab Oktober wird es keine tägliche
       Zeitung mehr geben. Die Times-Picayune soll nur noch an drei Tagen
       erscheinen. Den Rest der Woche kommen die Nachrichten von der Website
       [1][www.nola.com]. 
       
       Das ist eine Umstellung, keine Frage. Aber es ist doch so: Das
       kennzeichnende Merkmal eines guten Mediums ist ja nicht, dass die Inhalte
       unbedingt auf Papier erscheinen. Es geht darum, gründlich zu sein, Analysen
       zu bieten, tolle Geschichten zu schreiben und der Politik auf die Finger zu
       schauen. Das Resultat kann dann auf Papier, im Netz, auf dem Handy oder dem
       Tablet zu lesen sein.
       
       New Orleans ist damit die größte Stadt der USA ohne Tageszeitung. 
       
       New Orleans braucht in erster Linie eine tägliche, gründliche
       Berichterstattung. Die wird es weiterhin geben – nur nicht mehr immer auf
       Papier.
       
       Das ist allerdings ein Problem für viele Einwohner der Stadt, denn etwa ein
       Drittel hat keinen Zugang zum Internet. Wie werden die Menschen an den
       Tagen, an denen es keine Printausgabe gibt, an ihre Nachrichten kommen? 
       
       Diese Zahl ist nicht aktuell. Kurz nach dem Hurrikan „Katrina“ im Jahr 2005
       hatten viele Menschen in der Stadt tatsächlich keinen Zugang zum Netz. Sie
       hatten ja teilweise noch nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Inzwischen
       ist die Abdeckung besser. Sie ist allerdings nicht ideal und wir werden uns
       bemühen müssen, diese Leute einzubeziehen. Das ist klar.
       
       Wie denn? 
       
       Wir stehen noch am Anfang der Umstrukturierung. Auf einige Fragen haben wir
       jetzt noch keine Antworten.
       
       Es ist ja nicht so, dass Sie mit 132.000 Exemplaren eine riesige Auflage
       hätten. Trotzdem ist die Reichweite hoch, da die Menschen beim Frisör oder
       im Café die Zeitung lesen. Wie werden sich diese Leute jetzt informieren? 
       
       Die drei Ausgaben unserer Zeitung, die es ab dem 1. Oktober wöchentlich
       geben wird, werden die Nachrichten der Woche abdecken. Wir haben nicht vor,
       die Tage auszulassen, an denen es keine Printausgabe gibt. Und ich glaube
       tatsächlich nicht, dass das Problem mit dem Netzzugang so schwerwiegend
       ist, wie teilweise verbreitet wird. Die Menschen werden weiter gut
       informiert sein.
       
       Ist das Modell der Times-Picayune die Zukunft? 
       
       Es kann eines der Zukunftsmodelle sein, ja. Die Medienunternehmen müssen
       sich einfach etwas einfallen lassen, wie sie mit sinkenden
       Anzeigenverkäufen, sinkenden Auflagen und der Verlagerung von Nachrichten
       ins Internet umgehen. Die Frage ist: Wie kann man einerseits Zeitungsleser
       halten und andererseits im digitalen Bereich wachsen. Das sind die Trends
       auf dem Zeitungsmarkt. Das ist in Deutschland doch nicht anders, oder?
       
       Nein, gerade deshalb ist Ihr Fall ja so spannend. Normalerweise sind die
       USA uns in solchen Dingen ein paar Jahre voraus. Alles, was der Medienmarkt
       hier erlebt, haben Sie schon hinter sich. Die Überlegung, dass
       Zeitungsinhalte künftig unter der Woche im Netz zu finden sind und nur noch
       am Wochenende auf Papier, wird auch hier diskutiert. 
       
       Dann ist das also nicht überraschend für Sie – für uns auch nicht. Es sind
       dennoch harte Einschnitte. Wir mussten im Zuge der Umstrukturierung viele
       Mitarbeiter entlassen. Der Newsroom, das Herzstück jeder amerikanischen
       Zeitung, schrumpft bei uns von 171 auf etwa 140 Kollegen. Das ist hart.
       Dazu kommt, dass sich die Arbeitskultur langfristig ändern muss. Wir müssen
       das Internet in den Mittelpunkt des Denkens rücken.
       
       Was sagen Ihre Mitarbeiter dazu? 
       
       Die meisten von Ihnen arbeiten jetzt schon sehr internetzentriert. Meine
       Kollegen kommen von Terminen und schreiben erst mal ein schnelleres,
       kürzeres Stück für die Website, bevor sie sich an den Artikel für die
       Zeitung machen. Sie bloggen und sprechen Texte für Videos ein, die man dann
       im Netz findet, sie aktualisieren ihre Texte online. Die Veränderungen sind
       also nicht so enorm, wie man meinen könnte. Die meisten Kollegen sind ja
       keine Print-Dinosaurier. Aber trotzdem: Die Arbeitsabläufe werden sich
       weiterhin verändern.
       
       Online-Medien sind traditionell schnelllebig. Wie steht es künftig um
       ausführliche Berichterstattung und investigative Recherchen, für die The
       Times-Picayune bekannt ist? 
       
       Wir werden beides tun. Das Internet wird die Heimat der schnellen Nachricht
       sein, in der gedruckten Zeitung wird mehr Hintergründiges stehen. Wir
       werden weiterhin investigativ recherchieren und Missstände aufdecken – nur
       werden wir die Texte anders verbreiten als bisher.
       
       Haben Sie Sorge, Leser zu verlieren? 
       
       Nein, denn das, was wir den Lesern bieten – ob nun in der Printversion oder
       in der digitalen Ausgabe – wird so gut und so attraktiv für die Menschen
       sein, dass wir davon ausgehen, die Mehrheit unserer Leserschaft zu
       behalten.
       
       Das Verhältnis der Menschen in New Orleans zu ihrer Zeitung ist von jeher
       sehr eng und emotional. Wie reagieren die Bürger auf die angekündigten
       Veränderungen? 
       
       Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es gibt Menschen, die ihre Gewohnheit
       nicht aufgeben wollen, jeden Tag eine Zeitung in der Hand zu haben. Ich
       kann das verstehen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Menschen, die
       sehr viel selbstverständlicher mit dem Internet umgehen und ohnehin schon
       die meisten Nachrichten online lesen. Denjenigen, die jetzt noch skeptisch
       sind, müssen wir beweisen, dass die Veränderungen nicht unbedingt schlecht
       sind. Das Problem ist, dass wir das erst im Herbst tun können. Bis dahin
       müssen wir um einen Vertrauensvorschuss bitten.
       
       18 Jul 2012
       
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