# taz.de -- Parlament beschließt Resolution: Gesetzlicher Schutz der Beschneidung
       
       > Der Bundestag hat eine Resolution zur Erlaubnis der Beschneidung von
       > Jungen verabschiedet. Eine gesetzliche Regelung soll folgen. Nicht alle
       > Fraktionen sind damit einverstanden.
       
 (IMG) Bild: Ernste Mienen bei Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Rande der Sondersitzung.
       
       BERLIN dapd/rtr | Nach heftiger internationaler Kritik am Verbotsurteil des
       Kölner Landgerichts soll die rituelle Beschneidung von Jungen in
       Deutschland künftig straffrei gestellt werden. Der Bundestag forderte die
       Regierung am Donnerstag mehrheitlich zur Vorlage eines entsprechenden
       Gesetzes auf. Damit soll sichergestellt sein, „dass eine medizinisch
       fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich
       zulässig ist.“ Das Kölner Gericht hatte vor gut zwei Monaten die
       Beschneidung als Körperverletzung gewertet.
       
       Nach dem Urteil riss die Kritik vor allem von Juden und Muslimen aus aller
       Welt nicht mehr ab. Der deutsche Botschafter in Israel, Andreas Michaelis,
       übergab gar ein Schreiben an Knessetpräsident Reuven Rivlin. Darin betonte
       die Bundesregierung, es handele sich bei dem Urteil um eine
       Einzelfallentscheidung ohne bindende Wirkung für andere Gerichte. Auch
       Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein und sprach sich gegen ein
       Beschneidungsverbot aus.
       
       Das neue Gesetz soll die Verunsicherung bei Juden und Muslimen beenden,
       aber auch den beteiligten Ärzten Sicherheit geben. In seiner am Donnerstag
       verabschiedeten Resolution stellt das Parlament klar, dass mit dem neuen
       Gesetz die Genitalverstümmelung von Mädchen keineswegs erlaubt wird. Beides
       sei nicht miteinander vergleichbar.
       
       In der Debatte betonten Redner wie Günter Krings (CDU), Christine Lambrecht
       (SPD) und Volker Beck (Grüne), dass bei dem Thema verschiedene Grundrechte
       abgewogen werden müssten. Lambrecht forderte eine Entscheidung durch das
       Bundesverfassungsgericht. Krings und Beck mahnten, dass man sehr gute
       Gründe haben müsse, in Deutschland eine Praxis unter Strafe zu stellen, die
       weltweit üblich sei. Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen betonte, dass die
       Beschneidung etwas völlig anderes als die vorsätzliche Verstümmelung
       weiblicher Genitalien in einigen Kulturen sei. Diese wird in dem
       Entschließungsantrag kategorisch abgelehnt.
       
       Der Linke-Abgeordnete Jens Petermann sprach von einem „sehr eiligen
       Resolutionsentwurf“ und kritisierte, dass das Papier erst den Medien und
       dann seiner Fraktion vorgelegt worden sei. Die Linke lehnte die Resolution
       ab und forderte, den Eingriff zunächst ins „Schmerzlos-Symbolische“ zu
       verschieben und zu warten, bis der betroffene Junge das Alter von 14 Jahren
       erreicht habe und selbst entscheiden dürfe. Abgeordnete von Union, FDP, SPD
       und Grünen stimmten der Resolution zu, es gab aber auch einige
       Enthaltungen.
       
       ## „Ein starkes politisches Zeichen“
       
       Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann,
       begrüßte das „klare und entschlossene Signal“ des Bundestages. Der
       Zentralrat hoffe, dass das Gesetz auch tatsächlich in den nächsten Monaten
       vorgelegt und beschlossen werde. Die erhebliche Verunsicherung durch das
       Kölner Urteil könne damit glaubwürdig behoben werden, erklärte Graumann.
       „Für uns ist es vor allem ein starkes politisches Zeichen, dass uns zeigt:
       Jüdisches und muslimisches Leben ist und bleibt in Deutschland willkommen.“
       
       Zu den Gegner des Beschlusses zählte der FDP-Bundestagsabgeordnete Heiner
       Kamp. „Die körperliche Unversehrtheit von Säuglingen und Kleinkindern ist
       ein hohes Gut“, erklärte er. Keine Religion dürfe für sich beanspruchen,
       dieses wichtige Grundrecht verletzen zu dürfen. Die Entscheidung dürften
       weder der Bundestag noch die Bundeskanzlerin treffen.
       
       Außenminister Guido Westerwelle erklärte vor der Abstimmung, der Beschluss
       zeige, dass Deutschland ein weltoffenes und tolerantes Land sei. Es wäre
       nicht vermittelbar, wenn jüdische Mitbürger ihrer Jungen hierzulande nicht
       beschneiden dürften, sagte der FDP-Politiker.
       
       19 Jul 2012
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Genitalverstümmelung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) UN gegen Mädchenbeschneidung: „Verletzung der Menschenrechte“
       
       Die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschließt eine umfassende
       und weltweite Ächtung der Genitalverstümmelung bei Mädchen.
       
 (DIR) Beschneidung als Kur gegen Masturbation: Hände auf die Bettdecke!
       
       Die männliche Beschneidung ist nicht nur ein Teil der jüdischen und
       islamischen Identität – auch Christen propagierten sie: um die Onanie zu
       bekämpfen.
       
 (DIR) Kommentar Beschneidungsdebatte: Deutsche lieben Zwangsbekehrung
       
       Die Politik handelt friedenstiftend und glücklicherweise gegen den Konsens
       der Bevölkerung. Denn für die Mehrheit der Deutschen ist Toleranz out.
       
 (DIR) SPD-Laizisten sind verärgert: „Verfehlte Festlegung“
       
       Union, FDP, SPD und Grüne sind auf der Suche nach einem
       Beschneidungs-Konsens. Innerhalb der SPD und Linkspartei finden sich
       Skeptiker.
       
 (DIR) Diskussion um Beschneidungen: Missbrauch der Vorhaut
       
       Der Zentralrat der Ex-Muslime stimmt in den Chor der Beschneidungskritiker
       ein. Die Kinderrechte bleiben dabei allerdings wieder mal außen vor.
       
 (DIR) Israelischer Beschneidungsgegner: „Ein Akt der Vergewaltigung“
       
       In Israel kämpft die Gruppe Ben Schalem gegen Beschneidungen. Jonathan
       Enosch über den aus seiner Sicht barbarischen Akt und die Ahnungslosigkeit
       der Leute.
       
 (DIR) Debatte um Beschneidungsverbot: Vorhautgegner machen Druck
       
       Gesundheitsminister Bahr will die rituelle Beschneidung schnell gesetzlich
       regeln. Der Druck von Juden und Muslimen hatte zuletzt zugenommen. Die
       Linkspartei dagegen ist skeptisch.