# taz.de -- Der Attentäter von Denver: „Adrett, unauffällig, brillanter Student“
       
       > Wie wurde aus dem schüchternen Studenten ein kaltblütiger Amokläufer? Der
       > Attentäter von Denver gibt viele Rätsel auf - und schweigt zu seinen
       > Motiven.
       
 (IMG) Bild: Gedenken an die Toten des Amoklaufs.
       
       DENVER dapd | Adrett, unauffällig, gewissenhaft, kein Mann der vielen
       Worte. So beschreiben Nachbarn den mutmaßlichen Amokschützen, der am
       Freitag in einem Kino in der Nähe von Denver zwölf Menschen umbrachte.
       Zweistöckige Häuser mit roten Dachziegeln - der Vorort von San Diego, aus
       dem der 24-Jährige kommt, atmet gediegenen Wohlstand. Auf einem
       Jahrbuchfoto aus seiner Highschool-Zeit blickt der Sohn einer
       Krankenschwester und eines Managers bei einem Software-Unternehmen
       freundlich lächelnd in die Kamera. Dunkelhaarig und groß gewachsen ist
       James H., ein Ass in Naturwissenschaften.
       
       Warum der Student der Neurowissenschaften am Freitag bei der
       Mitternachtspremiere des neuen „Batman“-Films „The Dark Knight Rises“ nach
       Polizeiangaben wahllos um sich schoss, darüber rätselt ganz Amerika. Er
       selbst schweigt bislang.
       
       Ein langjähriger Nachbar der Familie in San Diego, wo H. aufwuchs, erinnert
       sich an ihn nur als einen „schüchternen Jungen...einen Einzelgänger“, an
       die Familie als Kirchgänger. Er spielte Fußball in der Schulmannschaft,
       machte Geländeläufe.
       
       Doch in seinem auf den ersten Blick beschaulich wirkenden Leben gab es
       erste Brüche. H. habe nach seinem Abschluss in Neurowissenschaften an der
       University of California, Riverside (UCR), keine Arbeit gefunden, sagte der
       Nachbar, ein Elektroingenieur in Ruhestand. Dabei habe H. seinen Abschluss
       mit Auszeichnung gemacht.
       
       Im vergangenen Jahr schrieb sich H. in dem Programm für Doktoranden der
       University of Colorado-Denver ein, wie die Hochschule mitteilte. Im Juni
       2012 habe er aber abgebrochen, warum, wurde nicht bekannt. Er sei einer der
       Besten gewesen, sagte UCR-Rektor Timothy P. White. H. habe
       Verhaltenswissenschaften studiert. „Es ist paradox und traurig zugleich“,
       fügte er hinzu.
       
       ## Aus H. wird „The Joker“
       
       Irgendwann in seinem Leben muss H. an einen Punkt gekommen sein, wo er sich
       das Haar rot färbte, sich selbst „The Joker“ nannte, wie der Bösewicht aus
       den „Batman“-Filmen.
       
       H. hat sich Behördenangaben zufolge am Freitag ganz regulär eine
       Eintrittskarte gekauft. Dann habe er sich versteckt und umgezogen und als
       die Mitternachtspremiere angelaufen sei mit Helm, Schutzbekleidung sowie
       einer Gasmaske den Kinosaal 9 betreten. Anschließend habe er Büchsen mit
       Gas in den Raum geworfen und inmitten des Rauches begonnen, mit einem
       halbautomatischen Maschinengewehr, einer Pistole und einer Schrotflinte
       wahllos auf die Besucher zu feuern. H. wurde auf dem Parkplatz vor dem Kino
       festgenommen.
       
       Vier Waffen wurden nach der Tat in dem Kino gefunden, die alle innerhalb
       der vergangenen zwei Monate legal gekauft wurden. Der Verdächtige habe
       außerdem 6.000 Schuss Munition über das Internet erworben, teilte die
       Polizei mit. Den Ermittlern zufolge kaufte H. am Ende Mai eine Pistole in
       Aurora, dem Ort des Verbrechens, sechs Tage später eine Schrotflinte in
       Denver.
       
       Zwei Wochen danach habe er sich ein Gewehr besorgt, dann eine zweite Glock
       am 6. Juli in Denver, 13 Tage vor dem Amoklauf, wie die Polizei mitteilte.
       Ein Trommelmagazin für 100 Schuss für das Sturmgewehr sei am Tatort
       sichergestellt worden. Er hätte damit bis zu 60 Schuss innerhalb einer
       Minute abgeben können, sagte Polizeichef Dan Oates.
       
       Die Mutter eines Jungen, der mit H. in der Junior-Schulmannschaft Fußball
       spielte, bestätigt den Eindruck des Nachbarn der Familie H. „Ich glaube
       nicht, dass viele der Kinder (seine Teamkameraden) ihn kannten. Er war ein
       ziemlicher Einzelgänger“, sagte sie.
       
       ## Verdächtiger verweigert die Aussage
       
       Ein Möbelpacker, der in der Nachbarschaft von H. in Colorado wohnt, hat den
       24-Jährigen am Dienstagabend noch in einer Bar getroffen. Nachdem H. ihn
       angesprochen habe, „sprachen wir nur über Football. Er hatte einen Rucksack
       und eine Intellektuellen-Brille auf und wirkte wie ein schlauer Typ. Ich
       hielt ihn für einen College-Studenten.“ Ihm hätten die Haare zu Berge
       gestanden, als er H. auf einem Foto erkannt habe. Den kenne er doch, habe
       er sich gedacht.
       
       H. verweigert bislang die Aussage. Er habe nur nach einem Anwalt gefragt,
       teilte die Polizei mit. Seine Familie erklärte am Freitag, in Gedanken bei
       den Angehörigen der Opfer zu sein. „Wir bitten darum, dass die Medien in
       dieser schwierigen Zeit unsere Privatsphäre respektieren.“
       
       Am Freitagmorgen wurde der Vater des Verdächtigen von der Polizei
       mitgenommen, die Mutter blieb in dem Haus in San Diego und empfing
       Besucher, die ihr Mitgefühl ausdrücken wollten. Eine Polizeisprecherin
       sagte, die Familie sei verständlicherweise sehr bestürzt und durcheinander.
       
       H. ist nicht polizeilich bekannt, der Polizei zufolge hat er Zeit seines
       Lebens noch nicht einmal einen Strafzettel erhalten. Jetzt ist er
       vermutlich ein Amokläufer, der zwölf Menschen das Leben nahm und Dutzende
       verletzte.
       
       21 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) D. Elliot
       
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