# taz.de -- Flüchtling startet unter olympischer Flagge: „Die Hoffnung des Südsudan lebt“
       
       > Im Südsudan gibt es vieles nicht. Auch kein Nationales Olympisches
       > Komitee. Daher entschied das IOC, dass ein staatenloser Flüchtling unter
       > der olympischen Flagge starten darf. Eine edle Geste.
       
 (IMG) Bild: Guor Marial, 28, bei sich zu Hause in Flagstaff, Arizona. Für den Sudan, aus dem er flüchtete, würde er niemals laufen
       
       LONDON dpa | Im blutigen Bürgerkrieg hat Guor Marial 28 Familienmitglieder
       verloren, durch Olympia erfüllt sich nun sein Traum von einem neuen Leben.
       Der Flüchtling aus dem Südsudan darf bei den Spielen in London im Marathon
       starten und will zum Mutmacher für seine leidgeprüften Landsleute werden.
       Weil der 193. Staat der Erde noch kein Nationales Olympisches Komitee (NOK)
       hat, entschied das IOC in einer großen Geste der Humanität: Marial darf
       unter der olympischen Flagge starten.
       
       Ein Triumph für den staatenlosen Sportler - und seine Heimat. „Wow! Das ist
       so aufregend. Ich bin sprachlos. Die Stimme des Südsudan ist erhört worden.
       Obwohl ich nicht unsere Flagge bei diesen Olympischen Spielen tragen kann -
       das Land ist hier dabei“, jubelte der 28-Jährige, der in Flagstaff im
       US-Bundesstaat Arizona lebt. „Der Traum ist wahr geworden. Die Hoffnung des
       Sudan lebt.“
       
       Marial quälte sich für seinen Traum, er gab die Hoffnung nie auf. Schon
       zweimal hat er die Olympia-Norm erfüllt, im Juni stellte er in San Diego in
       2:12:55 Stunden eine persönliche Bestzeit auf. „Deshalb bin ich jeden
       Morgen aufgestanden, ich habe meine Laufschuhe angezogen und bin gerannt“,
       meinte der Marathon-Mann. „Jetzt bin ich auf Betriebstemperatur und muss
       wie ein Olympionike trainieren.“
       
       ## Für Sudan zu starten wäre für ihn Verrat an seinem Land
       
       Ein Start für den Sudan kommt für den 28-Jährigen nicht in Frage. Das ist
       eine Sache der Ehre - fast seine ganze Familie ist dem jahrelang tobenden
       Bürgerkrieg zum Opfer gefallen. Etwa zwei Millionen Menschen starben in
       Südsudan. „Für mich wäre das in erster Linie Verrat an meinem Land, wenn
       ich jetzt einfach für den Sudan starten würde. Und es wäre respektlos
       meinen Landsleuten gegenüber, die für die Freiheit gestorben sind“,
       erklärte er.
       
       Vor elf Jahren wurde Marial von den USA als politischer Flüchtling
       anerkannt. Den Tag seiner Ankunft in Amerika wird er niemals vergessen: Es
       war der 19. Juli 2001. Vor einem Jahr schloss er sein Chemie-Studium an der
       Iowa State University erfolgreich ab. Für die USA kann er nicht laufen; er
       hat zwar eine ständige Aufenthaltsgenehmigung, aber nicht die
       US-Staatsbürgerschaft. Dem IOC teilte Marial mit, dass er niemals für den
       Sudan antreten würde. „Es wäre nicht richtig, wenn ich das Land
       repräsentieren würde, aus dem ich geflüchtet bin.“
       
       ## Kindersoldat statt Olympionik
       
       Das Schicksal von Lopez Lomong hatte Marial Mut gemacht. Sein Landsmann war
       im Bürgerkrieg als Sechsjähriger von Milizen gekidnappt worden - er sollte
       als Kindersoldat rekrutiert werden. Doch Lomong konnte nach Kenia fliehen.
       Im Rahmen des Programm „Lost boys of Sudan“ wurde er von den USA
       aufgenommen und im Juli 2007 eingebürgert. Stolz trug der damals 23-Jährige
       ein Jahr darauf in Peking bei der Eröffnung die US-Flagge ins
       Olympiastadion.
       
       Erst zum dritten Mal in der Olympia-Geschichte überhaupt dürfen Sportler
       unter der olympischen Flagge starten. Neben Marial erhielten drei Athleten
       von den ehemaligen Niederländischen Antillen vom IOC diese Chance. 1992 in
       Barcelona konnten Sportler aus Ex-Jugoslawien unter der den fünf
       olympischen Ringen antreten, 2000 in Sydney Athleten aus Osttimor.
       
       22 Jul 2012
       
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