# taz.de -- „Plastik-Briten“ bei Olympia: „Ich trinke Tee und hebe den Müll auf“
       
       > Während der Sommerspiele treten viele im Schnellverfahren eingebürgerte
       > Sportler für Großbritannien an. Boulevardzeitungen schimpfen auf die
       > „Plastik-Briten“.
       
 (IMG) Bild: Schaffte es nicht ins US-Team und wurde dann schnell noch zur Britin: Hürdenläuferin Tiffany Porter
       
       Steckt unter ihrer Haut Blut und Fleisch oder doch nur Plastik? Die Frage
       nach ihrer Körperkonsistenz muss Yamile Aldama seit Wochen wieder und
       wieder beantworten. „Ich bin nicht aus Kunststoff“, versichert die
       Hallen-Weltmeisterin im Dreisprung, die in Kuba geboren wurde und nun – das
       ist offensichtlich das Problem für einige Leute – mit 39 Jahren bei den
       Olympischen Spielen in London für Großbritannien starten wird.
       
       „Plastik-Briten“ hat die Zeitung Daily Mail Athleten wie Aldama getauft,
       „künstliche Briten“. Gemeint sind Sportler, die angeblich aus dem einzigen
       Grund eingebürgert wurden, Großbritanniens Ruhm bei den Spielen zu Hause zu
       mehren. So entstand in London eine hässliche, nahe am Fremdenhass geführte,
       aber moralisch spannende Debatte über die Frage, ob Sportler ihre Nation
       wie einen Klub wechseln dürfen.
       
       Die Leichtathleten Tiffany Porter, Shana Cox und Michael Bingham, geboren
       und ihr Leben lang zu Hause in den USA, schafften es nicht mehr ins
       US-Team, dem Bahnradsprinter Philip Hindes aus Krefeld fiel der Sprung vom
       deutschen Junioren- ins Männer-Nationalteam schwer. Da erinnerten sie sich
       alle, dass sie einen britischen Elternteil haben. Nun starten sie in London
       für Großbritannien.
       
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       bestehen. Ein Land wie Großbritannien sieht sich ethisch nicht auf einer
       Stufe mit Aserbaidschan. In 208 Artikeln seit März wetterte die stets
       schrille Daily Mail gegen die Plastikbriten, der Rest der Medien sowie
       Intellektuelle stiegen erhitzt in die Debatte ein.
       
       Da ist der Fall von Philip Hindes, der „nicht wirklich Englisch sprechen
       konnte“, wie er selbst sagt, als er 2010 kurzerhand Brite wurde. Er redet
       darüber wie über eine Karriereentscheidung. In Deutschland waren zwei
       Fahrer vor ihm. Jetzt sagt er: „Ich habe alles richtig gemacht.“ Ein
       lebenslanger Brite, Ross Edgar, verlor dafür seinen Platz im Team.
       Andererseits gibt es den Fall von Christopher Mohr,
       Bezirksoberliga-Handballer der TSG Offenbach-Bürgel, Sohn eines Deutschen
       und einer Schottin.
       
       In Großbritannien gibt es nur 600 Handballer, aber als Gastgeber besitzt es
       das Startrecht in jeder olympischen Disziplin. Mit 16 schrieb Mohr eine
       E-Mail an den britischen Verband. Er wurde Großbritanniens Spielmacher.
       Mohr trainiert und lebt seit drei Jahren für London, einzig getrieben vom
       olympischen Traum, dabei zu sein. Die Dreisprung-Weltmeisterin Yamile
       Aldama wiederum wurde vom kubanischen Verband gesperrt, nachdem sie 2001
       einen Schotten heiratete und nach London zog, sie hatte keine andere Wahl,
       als sich ein neues Land zu suchen, wollte sie weiterhin als Athletin
       starten.
       
       Ukrainische Ringer und schwedische Handballer werden in London Briten sein,
       doch jeder dieser Fälle ist unterschiedlich. In manch einem lässt sich
       durchaus pures Söldnertum vermuten. Doch wer legt fest, dass es für
       Menschen nur eine Heimat geben darf? Die Daily Mail? 
       
       ## Aus Überzeugung Brite
       
       Ist es nicht umso schöner, falls ein Sportler wie Hindes, der kein Englisch
       sprach, mit 19 aufgrund der Erfahrungen in seinem Gastland nun vielleicht
       aus Überzeugung zum Briten wird? Gerade London, die Stadt, in der die ganze
       Welt zu Hause ist, steht für ein vielfältiges Nationalgefühl.
       
       Auf so viel Verständnis hofft Yamile Aldama allerdings nicht mehr. Entnervt
       von den Plastik-Vorwürfen schrieb sie nun einen offenen Brief im Guardian:
       „Ich trinke Tee“, versicherte die gebürtige Kubanerin. Und wenn sie in
       ihrer Straße in London Leute Müll auf die Straße werfen sehe, „hebe ich den
       Müll auf, denn dies ist mein Zuhause“.
       
       Vier Tage lang ohne Unterbrechung habe sie die britische Nationalhymne
       geübt. Als Aldama ihrem britischen Trainer Frank Attoh inmitten der
       Plastikbriten-Debatte die Hymne vorsang, staunte dieser nicht schlecht. „Du
       meine Güte“, sagte Attoh, „den ganzen Text kann ja nicht mal ich.“
       
       23 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Reng
       
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