# taz.de -- Kolumne Nebensachen aus Stamsund: Blutige Lofoten
       
       > Behandlung beim diensthabenden Arzt aus Dänemark unter der
       > Mitternachtssonne Stamsunds. Mit im Spiel: ein scharfes Fleischmesser,
       > viel zu viel Blut und keine Betäubung.
       
       STAMSUND taz | „Es blutet zu wenig“, deutet Roar auf meinen linken
       Handrücken: „Ich hole ein scharfes Fischmesser, schneide die Wunde auf und
       nähe sie dann mit Nadel und Faden zusammen.“
       
       Gleich mein erster Tag auf den Lofoten ist nicht ganz so glücklich
       verlaufen. Nach einem Willkommensschwätzchen mit Roar schnell mein Zimmer
       in seinem „Justads Vandrerhjem“, dem Hostel von Stamsund, bezogen und dann
       noch auf den naheliegenden Berg, um die tolle Sicht zu genießen.
       
       Kurze Unaufmerksamkeit, ausgerutscht, ein spitzer Stein. Die Wunde ist fast
       zehn Zentimeter lang und ich finde, dass sie eher schon zu viel als zu
       wenig geblutet hat.
       
       Roars Angebot mit dem Fischmesser möchte ich nicht annehmen: „Es gibt wohl
       keinen Arzt, kurz vor Mitternacht?“ – „Doch, wir haben auf der Insel eine
       Legevakt rund um die Uhr.“ 20 Minuten später begrüßt mich Sören,
       „Legevakt“, der diensthabende Arzt. In T-Shirt und Shorts sitzt er vor dem
       Krankenhaus in Gravdal in der Mitternachtssonne. „Endlich Arbeit!“, freut
       er sich.
       
       ## Zwei Wochen Lofoten statt zwei Monate Dänemark
       
       „Dänemark?“, frage ich wegen der Aussprache. – „Ja, Kopenhagen“, strahlt
       er. Und während er mir eine Tetanusspritze in den Oberarm jagt, erzählt er,
       dass das Königreich Norwegen sich diesen Bereitschaftsdienst einiges kosten
       lässt. Zwei Wochen Lofoten – da verdiene er so viel wie in Dänemark in zwei
       Monaten.
       
       Das norwegische Gesundheitswesen hat chronische Personalprobleme. In der
       Urlaubszeit wird es besonders kritisch. Manche seiner dänischen Kollegen
       seien den ganzen Sommer in Norwegen auf Tour und machten
       Urlaubsvertretungen, berichtet Sören. „Und ihr Job in Dänemark?“ – „Da
       holen wir uns Ärzte aus Polen oder Spanien. Du, das muss ich nähen. Du
       brauchst doch keine Betäubung?“
       
       Voll des Lobs über das norwegische Gesundheitswesen, das sogar für die
       20.000 EinwohnerInnen einer Lofoten-Insel ein voll ausgebautes Krankenhaus
       bereit hält, sitze ich eine Stunde später auf dem Kai des Hostels in
       Stamsund. Die Sonne klettert schon wieder höher am Himmel, doch viele Gäste
       denken nicht ans Schlafen. Ich schon gar nicht: Die Hand schmerzt höllisch.
       
       ## Es floss doch zu wenig Blut
       
       „Wenn du auch unbedingt zum Veterinär musst“, brummt Roar: „Das hätte ich
       besser hingekriegt.“ „Vielleicht solltest du noch mal zum Arzt“ meint zwei
       Tage später Barbara, Apothekerin aus Leverkusen und deutet auf meine
       rotgeschwollene Hand.
       
       Es ist Sonntag. Sören hat wieder Dienst und scheint nicht überrascht:
       „Antibiotika. Weißt du: Es hat zu wenig geblutet.“
       
       22 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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