# taz.de -- Kommentar Türkei und Syrien: Vorgeschmack aufs kommende Chaos
       
       > Die Türkei kann die Grenze zu Syrien einfach dicht machen. Die Probleme,
       > die durch den Aufstand in Syrien entstehen, wird sie damit aber nicht
       > draußen halten.
       
       So hatte man es sich in Ankara mit dem Sieg der Freien Syrischen Armee
       (FSA) nicht vorgestellt. Kaum hatten sie einen der großen Grenzübergänge
       zwischen beiden Ländern erobert, wurden türkische LKW geplündert und in
       Brand gesteckt. Danach kam dann der Duty Free Shop dran.
       
       Kurz entschlossen ließ die türkische Regierung den Grenzübergang schließen.
       Das war offenbar gerade noch rechtzeitig, denn wenn die Meldungen von der
       syrischen Seite stimmen, rückten später anstelle der ursprünglichen
       FSA-Kämpfer ein bunter Haufen islamistischer Zeloten in die Stellung ein,
       Männer aus benachbarten arabischen Ländern, die sich selbst schon mal als
       Al Kaida Anhänger ausgeben.
       
       Die Tumulte am Grenzübergang Bab al-Hawa geben einen Vorgeschmack auf das
       Chaos, das in Syrien in den kommenden Wochen zu erwarten ist. Der
       bevorstehende Sturz des Regimes wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht
       von einer kontrollierten Machtübernahme der Opposition begleitet werden,
       sondern in wilde Machtkämpfe ausarten, wenn es darum geht, wer innerhalb
       der Opposition wirklich das Sagen hat.
       
       Für die Anrainerstaaten Syriens bedeutet das zunächst, dass sie sich auf
       mehr statt weniger Flüchtlingen einstellen müssen. Anhaltende Gewalt und
       der Zusammenbruch der Versorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs,
       werden dazu führen, dass noch mehr Menschen als bislang ihr Heil in der
       Flucht suchen werden. Will man die dann aufhalten, indem man die Grenze von
       türkischer Seite aus dicht macht?
       
       Für die Türkei stellt sich aber noch ein zusätzliches, brisantes Problem.
       Der östliche Teil der knapp 900 km langen Grenze mit Syrien ist praktisch
       eine türkisch-kurdische Grenze denn dort liegen die Siedlungsgebiete der
       syrischen Kurden. Die Kurden haben sich aus den Kämpfen zwischen Assad und
       der sunnitischen Opposition weitgehend herausgehalten, weil sie auch von
       einer Regierung, die die Opposition stellt, nicht viel Gutes erwarten.
       
       Stattdessen haben sie sich mit Unterstützung der Kurden im Nordirak darauf
       vorbereitet, ihr Siedlungsgebiet als Autonome Region auszurufen. Die
       Grenzübergänge in diesem Bereich werden dann, wie im Nordirak, von Kurden
       kontrolliert. Zwischen den Kurden in Syrien und den Kurden in der Türkei
       steht dann nur noch die türkische Armee.
       
       Für die türkische Regierung, die laut den Sturz Assads gefordert hat, wird
       es kompliziert. Sie ist auf den Abgang des Assad – Clans so wenig
       vorbereitet wie die anderen Nachbarländer und steht vor allem der
       Kurdenfrage hilflos gegenüber. Statt endlich mit den Kurden im eigenen Land
       an einer politischen Lösung zu arbeiten, setzt die Regierung auf Repression
       und nährt damit den Wunsch nach mehr Autonomie, wenn nicht gleich der
       Unabhängigkeit.
       
       Die Grenze kann man zu mindestens teilweise wohl dicht machen. Die Probleme
       die durch den Aufstand in Syrien entstehen, wird die Türkei damit aber
       nicht draußen halten können.
       
       23 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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 (DIR) Schwerpunkt Syrien
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