# taz.de -- Kommentar Bosniens Perspektiven: Ein von Europa verlassenes Land
       
       > Für viele Menschen in Bosnien verblasst das Licht am Ende des Tunnels.
       > Dieses Licht war einmal die EU.
       
       Ist Bosnien ein verlorenes Land? Noch drängt nicht die gesamte Bevölkerung
       ins Ausland, es gibt viele Junge, die bleiben wollen, es gibt Vitalität,
       eine menschlich berührende, nichtnationalistische und tolerante Tradition
       und nach wie vor ein vor allem bei den Bosniaken lebendiges positives
       kollektives Nationalbewusstsein. Doch verblasst für die meisten Menschen
       das Licht am Ende des Tunnels. Und dieses Licht war einmal die EU.
       
       Die negative Stimmung wird natürlich auch durch interne Ereignisse genährt.
       Die jetzt von dem Sozialdemokraten Zlatko Lagumdzija vorgeschlagenen
       Verfassungsänderungen sind nur ein Ausdruck länger wirkender politischer
       Linien. Sie kommen den kroatischen Nationalisten entgegen, die nichts aus
       der blutigen Vergangenheit gelernt haben. Natürlich müssen in so einem
       komplizierten und heterogenen Land Kompromisse geschlossen werden. Mit
       allen. Und doch muss man fragen, ob der Machterhalt diesen Kompromiss
       wirklich rechtfertigt.
       
       Mit dem [1][Rücktritt des Sozialdemokraten Komsic als Mitglied des
       Staatspräsidiums] wird der Konflikt nun in die Partei verlagert. Komsic ist
       populär, ein Urgestein Sarajevos, ein Kroate, der im Krieg für ein
       multinationales Bosnien und Herzegowina gekämpft hat. Ein Symbol für den
       Zusammenhalt des Landes und für die religiös-politische Toleranz. Nach wie
       vor wollen ja die nationalen Kräfte der Nachbarländer Kroatien und Serbien
       Bosnien und Herzegowina zerstören.
       
       Mehr als die schon 100 Jahre lang bekannte Attacke der Nationalisten beider
       Seiten aber schmerzt, dass das Europa der EU seit Jahren nichts mehr
       dagegen unternimmt. Die EU ist heute offenbar nicht mehr daran
       interessiert, sich für die eigenen Werte Toleranz, Demokratie und
       Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.
       
       24 Jul 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Krise-in-Bosnien-und-Herzegowina/!97955/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sarajevo
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Demos in Bosnien und Herzegowina: Schnuller als Protestsymbol
       
       Tausende gehen in Sarajevo und anderen Städten auf die Straßen. Dass
       Säuglingen eine Sozialversicherung verwehrt wird, ist für sie ein
       Politikum.
       
 (DIR) Kommunalwahlen in Bosnien Herzegowina: Denkzettel für Dodik
       
       Die Partei des serbischen Nationalisten verliert bei den Kommunalwahlen in
       Bosnien und Herzegowina ihre bisherige Mehrheit in 27 Gemeinden.
       
 (DIR) Olympiabau von ArcelorMittal: Gedenken ist anderswo
       
       Der Olympiabau des Stahlriesen ArcelorMittal in London sorgt in Bosnien für
       Ärger: Dort, auf deren Konzerngelände, befindet sich ein einstiges KZ –
       ohne Gedenkstätte.
       
 (DIR) Krise in Bosnien und Herzegowina: Kroate verlässt die Regierung
       
       Der Sozialdemokrat Zeljko Komsic protestiert gegen eine geplante
       Verfassungsänderung. Diese, so meint er, stärkt erneut die
       nationalistischen Kräfte.